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Marta Herford präsentiert mit der Ausstellung „Zwischen Zonen – Künstlerinnen aus dem arabisch-persischen Raum“ Fotografien, Videos und Installationen von neun Künstlerinnen, die sich buchstäblich zwischen Grenzen, Räumen und Zeiten bewegen. Ihre Herkunftsländer, die von extremen Widersprüchen geprägt sind, inspirieren sie zu eigensinnigen, kompromisslosen und vielschichtigen Werken. Sie thematisieren hierbei nicht nur die aktuellen politischen und religiösen Auseinandersetzungen, sondern appellieren gleichzeitig an die Potenziale und Widerstandsformen von Kunst.

„Zwischen welchen Zonen arbeiten und leben die Künstlerinnen? Welche Wahrheiten werden inszeniert? Diese Ausstellung verzichtet bewusst auf eine eindeutige politische Botschaft. Vielleicht lautet eine gemeinsame Strategie der neun Beteiligten: Das Leben und die Kunst entstehen durch Widerstände, die hier Formen annehmen und so eine Haltung zur Gegenwart demonstrieren.“ Dr. Michael Kröger

Der Nahe und Mittlere Osten gilt als Wiege jahrtausendealter Kulturen und Religionen, aber auch als Besorgnis erregendes Pulverfass: Seit den letzten Jahrzehnten ist diese Region geprägt von Krieg, der Vertreibung von Menschen und dem Zerfall ganzer Kulturen. Die Auseinandersetzungen zwischen einzelnen arabischen Staaten unter Einbeziehung westlicher Mächte sind allgegenwärtig. Aus diesen zerstörten und ausgegrenzten Orten der Geschichte stammen die neun Künstlerinnen der Ausstellung „Zwischen Zonen“, die heute überwiegend im Westen leben. Vor dem Hintergrund dieser Lebenssituation werden die Werke – die größtenteils eigens für die Ausstellung entwickelt wurden – zu einem Echo für aktuelle gesellschaftspolitische Themen, die sich mit biografischen Handlungssträngen vermischen. Ihre künstlerischen Ansätze sind dabei so unterschiedlich wie ihre Lebenswege und manövrieren die BesucherInnen in die Gegensätzlichkeit zwischen Erinnerung und Vergessenem, Poesie und Zerstörung, Sprache und Geschichte.

Vor allem die eigene Familiengeschichte liegt im Fokus der Arbeiten von Multimedia-Künstlerin Arwa Abouon (*1982), die als Kleinkind mit ihren Eltern von Libyen nach Kanada auswanderte. Mit ihrer fotografischen Sichtweise schlägt sie eine Brücke von persönlichen Betrachtungsweisen zu traditionellen Bildmotiven. So auch im Diptychon „I’m Sorry / I Forgive You“ (2012), auf dem sie ihre Eltern porträtiert: Im linken Bild küsst zärtlich ihr Vater die einen Hidschab tragende Mutter, während seine Hände ihren Hals berühren. Im Bild rechts sind die Rollen und damit auch die Machtverhältnisse vertauscht. Das auffällige ornamentale Muster im Werk bezieht sich auf islamische Dekortraditionen, obgleich das Motiv von sich küssenden Muslimen in der zeitgenössischen Kunst sehr selten zu finden ist.

Poetische und bildmächtige Ansichten von Wüstenregionen sind die Schlüsselmotive der Palästinenser-Irakerin Sama Alshaibi (*1973). Die Fotografien und Videoinstallationen zu Alshaibis Serie „Silsila“ (arabisch für „Kette“ oder „Verbindung“) sind u.a. von den Expeditionen eines marokkanischen Gelehrten des 14. Jahrhunderts inspiriert: Alshaibi unternahm im Zeitraum von sieben Jahren verschiedene Reisen durch die Wüstenregionen und zu Wasserquellen des Nahen Ostens und Nordafrika. Ihre Fotografien und Videos werden dabei zu einem Sinnbild für die eigne Migrationsgeschichte wie auch für zahlreiche Flüchtlingsschicksale.

Kunst und ein kritischer Umgang mit avancierten digitalen Praktiken treibt die aus dem Iran stammende Moreshin Allahyari (*1985) vorrangig zu ihren Kunstwerken an. In „Material Speculations“ (2015—2016) schuf sie eine Serie von zwölf skulpturalen im 3D-Druckverfahren hergestellten Objekten, die die Überreste der von IS-Anhängern zerstörten Städte Hatra und Ninive darstellen. Die Werke zeugen nicht nur von Allyayris akribischer Forschungs- und Archivarbeit, sondern versinnbildlichen durch eine innenliegende Speicherkarte, die eine Datenbank zu den originalen Stammdaten enthält, ihren Aktivismus zugunsten des Erhalts von kulturellem Erbe.

Mit einer humorvollen, aber dennoch angriffslustigen Performance machte Moufida Fedhila (*1977) auf die Missstände in ihrer Heimat Tunesien aufmerksam: Kurz nach Beginn des Arabischen Frühlings im Jahr 2012 forderte die in Paris und Tunis lebende Künstlerin als „Super-Tunesian“ im stilechten Cape ihr Publikum während ihrer Performance im öffentlichen Raum dazu auf, sich aktiv an den Protesten gegen die Staatsmacht zu beteiligen. Die Videodokumentation „Super-Tunesian Extra Time“ (2012) dokumentiert diese Aktion, die zu ihren bekanntesten Performances zählt.

Von der Absurdität eines nicht existenten Landes zeugt eine zarte Zeichnung auf einer Wand, die den Ausstellungsraum in zwei Hälften teilt. Mit der Arbeit „Untitled“ (2011/2017) reflektiert die Jordanierin Saba Innab (*1980) eine komplexe, politische Situation: Die fortlaufende Linie steht für die Landesgrenze zwischen dem weltweit (noch) nicht anerkannten Staat Palästina und den jordanischen, syrischen, libanesischen und ägyptischen Grenzgebieten. Ihre konzeptionelle Arbeit setzt sich mit der geografischen und politischen Paradoxie auseinander, die das Gebiet des heutigen Palästinas verkörpert.

Während u.a. die Fragen nach der Instrumentalisierung von einzelnen arabischen Begriffen eine Rolle bei Mounira Al Solh (1978 Libanon) spielen, sind die Werke von Lamia Joreige (1972 Libanon), Amina Menia (1976 Algerien) und Ala Younis (1974 Jordanien) Ergebnisse aufwendiger und mehrjähriger Recherchen. Hierbei werden historische Dokumente und offene ästhetische Kontexte subtil miteinander verknüpft und unbekannte Erfahrungsräume eröffnet.

Die Ausstellung wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes.