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1815: Nach der Schlacht von Waterloo hat Napoleon abgedankt und ist Gefangener der Engländer auf St. Helena. Die Siegermächte England, Russland, Österreich und Preußen teilen Europa neu auf, es beginnt eine Zeit der Konsolidierung, die als „Restauration“, „Vormärz“, „Biedermeier“ charakterisiert wird, zu der aber auch das „Risorgimento“ und das „Erwachen der Völker“ gehören. Die romantische Sehnsucht, den gesellschaftlichen Zwängen zu entkommen und in phantastische Welten zu entfliehen, trifft in den Kreisen des wohlhabenden Bürgertums auf eine grundlegend konservative Haltung. Der Rückzug ins Private kennzeichnet das Biedermeier. Das bürgerliche Leben vollzieht sich zwischen den Polen Arbeit, Glaube, Geselligkeit und Familie. Für die Industrialisierung der Städte im Tal der Wupper ist das Wirtschaftsbürgertum die treibende Kraft. Alteingesessene Familien bilden den kleinen Kreis der Wohlhabenden. Fleiß und Fixierung aufs Geschäft verbinden sich mit Tugendhaftigkeit und Mäßigung, Frömmigkeit und kirchlichem Engagement. Das wachsende Selbstbewusstsein führt zur Ausbildung einer neuen bürgerlichen Kultur, die ihren Ausdruck in der Ausgestaltung des privaten Wohnbereichs und der Pflege der eigenen Ahnengalerie findet. Die Ausstellung im Von der Heydt-Museum zeigt die idealistisch eleganten Bildnisse Heinrich Christoph Kolbes. Die detailreichen Innenraumdarstellungen Peter Schwingens und die revolutionären Charakterporträts von Johann Richard Seel, Johann Peter Hasenclever und Gustav Adolf Köttgen sind Zeugnisse des bürgerlichen Selbstverständnisses auf höchstem künstlerischen Niveau. Auch die Baukunst diente der Selbstdarstellung. Eine der wichtigsten Bauaufgaben war der Garten. Mit der „Hardt“ stifteten die Bürger nicht nur die erste öffentliche Parkanlage Wuppertals, sondern auch einen der frühesten Bürgerparks in Deutschland. Die religiöse Orientierung des Bürgertums im Wuppertal bestimmte sowohl das unternehmerische Handeln als auch das Engagement in der Gesellschaft. Die vielfältigen Aktivitäten der führenden Persönlichkeiten – nachzuvollziehen in der Ausstellung der City-Kirche - reichen von der Funktion im Presbyterium, der Initiative bei Vereinsgründungen, einer vielfältigen Spendenpraxis bis zur eigenen Bibelübersetzung. Die bemerkenswerte Sammlung außereuropäischer Kunst im Völkerkundemuseum ist Zeugnis globalen Engagements. So reisten schon 1828 vier junge Missionare nach Südafrika und bauten dort die Missionsstation „Wupperthal“ auf. Der Selbstinszenierung des Bürgertums begegneten Freigeister mit scharfer Kritik; denn die hohe Zeit des Bürgertums war zugleich eine Zeit mit grober politischer Repression und der Revolution von 1848, in welcher sich das Bürgertum in schwankende und zögerliche Parteiungen aufspaltete. Während Joseph von Eichendorff seinen „Taugenichts“ unbekümmert in die idyllische, durch die Brille der Romantik gesehene Welt hinausziehen ließ, griff Johannes Nestroy in seinem Stück „Freiheit im Krähwinkel“ 1848 dieses Dilemma zwischen dem stubenhockenden Biedermeier und dem revolutionären Drang auf. Hierzu präsentiert das Historische Zentrum u.a. zeitgenössische Karikaturen aus der Sammlung Dieter Ante. Das Buch stand im Biedermeier hoch im Kurs. Mit der Lektüre erschloss sich das Bürgertum die Welt. Bibliophile Rara, ebenfalls aus der Sammlung Dieter Ante, geben einen authentischen Eindruck von der Buchkultur der Zeit.

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Von Tugend und Glück. Die private Welt der Bürger 1815-1850
Orte: Von der Heydt-Museum; Historisches Zentrum; City-Kirche Elberfeld; Museum für Völkerkunde

Künstler: Heinrich Christoph Kolbe, Peter Schwingen, Johann Richard Seel, Johann Peter Hasenclever, Gustav Adolf Köttgen ...