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„We have a situation here“ ist ein Standardsatz, mit dem im Katastrophenfilm ein Darsteller ein herausforderndes Szenario einleitet. Das Szenario auf den drei Fotografien zeigt übereinander liegende Menschen, die durch ihre Kleidung als Manager, Polizisten und Soldaten erkennbar sind.

Die Haufen von Managern, Polizisten und Soldaten vermitteln den Eindruck eines Nicht-Mehr-Gebraucht-Werdens dieser zentralen Akteure der Ausübung von Herrschaft. Ihr Spiel ist zu Ende. Manager großer Konzerne machen seit Jahrzehnten ihren Einfluss geltend, die globale Ökonomie zum Vorteil ihrer Unternehmen und auf Kosten von Umwelt-, Sozial- und Arbeitsstandards umzubauen, wodurch ganze Regionen in Armut versinken. „Das Verbrechen ist kein Auswuchs mehr, der sich am Rand der legalen ökonomischen Aktivität abspielt, sondern es ist die grundlegende Aktivität des postindustriellen Wirtschaftssystems, innerhalb dessen die kulturellen und ethischen Verankerungen der traditionellen Bourgeoisie abhanden gekommen sind“, schreibt der italienische Philosoph Franco Berardi Bifo (1). Spätestens seit der Krise 2008 – und wie diese von den Eliten gemanagt wird – verlieren die Menschen auch im Zentrum des Kapitalismus massiv an Vertrauen in das Gesellschaftssystem und dessen RepräsentantInnen. Laut einer von Polis/Sinus für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführten Umfrage zweifelt mittlerweile jeder dritte deutsche Staatsbürger an der Effizienz der repräsentativen Demokratie. (2) Trotzdem, oder gerade deswegen, bleibt es die primäre Funktion der Polizei, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten, was nichts anderes bedeutet, als die bestehenden Herrschaftsverhältnisse abzusichern und jegliche Bestrebung nach Transformation zunichte zu machen. „Wenn Herrschaft immer ein Prozess bewaffneten Raubs ist, dann besteht die Eigenart des Kapitalismus darin, dass die bewaffnete Person neben der Person steht, die den Diebstahl begeht, und nur überwacht, dass der Raub in Übereinstimmung mit dem Gesetz durchgeführt wird“, meint John Holloway. (3) Dem Militär kommt die Funktion zu, die globalen Herrschaftsverhältnisse nach Außen hin abzusichern, von der Sicherung der Rohstoffversorgung, die sich oft direkt gegen die Interessen der Mehrheit der in den rohstoffreichen Staaten lebenden Menschen richtet, bis zur Umsetzung von Abschottungspolitiken.

In den drei Fotografien „We Have a Situation Here“ liegen Manager, Polizei und Militär danieder. Die bestehende Ordnung gerät ins Wanken, die Gedanken nehmen einen freien Lauf: Ist eine Gesellschaft ohne Manager, Polizei oder Militär vorstellbar, und wenn, auch wünschenswert? Kann die Position des Managers wieder auf das simple Verwalten einer Firma zurückgestutzt werden, mit der keine sonderliche Macht über andere Menschen verbunden ist? Ist ein Neustart der Wirtschaft und ihre Unterordnung unter die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung vorstellbar? Kann die Etablierung neuer Ordnungsorgane, die direkt von den Menschen eingesetzt und demokratisch von diesen kontrolliert werden, funktionieren? Woher soll das notwendige Personal für einen gesellschaftlichen Umbau kommen?

Diese und ganz andere Fragen können durch die drei Fotografien ausgelöst werden, die auf einer zentralen Gebäudefassade in der Innenstadt in Novi Sad (Trg Slobode 4) als großformatige Digitaldrucke installiert sind.

Photographer: Anja Manfredi Support: Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark; Artra Galleria, Milan; Kunstraum Bernsteiner, Vienna

Notes: (1) Franco Berardi Bifo, Arbeit Wissen Prekarität, Kulturrisse 02/2005 (2) Florian Rötzer, Demokratie überzeugt nicht mehr, Telepolis, 30.06.2008, (3) John Holloway, Die Welt verändern ohne die Macht zu übernehmen (Change the World Without Taking Power), Münster: Westfälisches Dampfboot, 2004, p. 46