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Einladung zum Blickwechsel Fünf international renommierte Künstler afrikanischer Herkunft bespielen im Sommer das Terrain der Nationalgalerie Berlin. El Anatsui, Zarina Bhimji, António Ole, Yinka Shonibare und Pascale Marthine Tayou sind eingeladen, sich in den verschiedenen, architektonisch bedeutsamen Häusern, die die Nationalgalerie mit ihren großen Sammlungen der Kunst vom 19. bis 21. Jahrhundert beherbergen, zu präsentieren. Ihre künstlerische Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen stilgeschichtlichen, politischen und sozialen Bezügen wird die Häuser und ihre Sammlungen deutlich sichtbar für die Dauer des Projektes markieren. Das Ensemble der Nationalgalerie avanciert damit zu einem Parcours großer‚ skulpturaler und installativer Arbeiten, die größtenteils im Außenbereich, site specific’, entstehen.

Beteiligte Künstler Die beteiligten Künstler fordern auf zum Dialog über Fragen, die angesichts gegenwärtiger ökonomischer, sozialer und politischer Umbrüche aktueller sind denn je. Ist die Unsicherheit der Zukunft die größte Sicherheit, die wir heutzutage haben? Der Titel der Ausstellung „Who Knows Tomorrow“ ist inspiriert von einer Aufschrift auf einem kleinen Personenbus in Afrika, der zufällig fotografiert wurde. Die in Afrika weit verbreitete Lebensweisheit steht nun als sinnstiftendes Thema für die Ausstellung.

Projektions- und Spannungsfeld Immer war und ist eine Nationalgalerie auch Spiegel und Ausdruck der nationalen Geschichte und Gegenwart gewesen. Jedes einzelne ihrer Gebäude ist mit spezifisch historischen Situationen verknüpft. Diesen Kontext nutzt die Ausstellung als Projektions- und Spannungsfeld. Sie schaut dabei zurück, nach vorne und vor allem auf die Gegenwart. Die Werke der hier beteiligten zeitgenössischen Künstler thematisieren Fragen über Identität, Globalisierung und Geschichte. Fernab von dem Anspruch an eine repräsentative Darstellung oder gar Aneignung aktueller afrikanischer Kunstproduktion geht es in der Ausstellung vielmehr um die Überlassung von Monumenten deutscher Geschichte an Künstler eines anderen Kontinents. Dabei stellt sich die Frage, welche und wessen Geschichte wird erzählt und aufgeschrieben? Welchen Beitrag leistet Kunst, um (kunst-) historische Konstrukte, Klischees und Stereotype zu überwinden?

Deutsche Geschichte im Spiegel musealer Architektur – und afrikanischer Reflexion Die künstlerischen Projekte zeigen die Verwicklungen und die Verbindungen zwischen Afrika und Europa auf: Die Konturen der noch heute existierenden politischen Landkarte des afrikanischen Kontinents wurden auf der „Berliner Konferenz“ von 1884/1885 abgesteckt und die Aufteilung Afrikas unter den westlichen Mächten besiegelt. So ist die Geschichte der Kolonisation Afrikas eng mit der Situation Berlins Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verknüpft. 1960, also vor 50 Jahren wurden zunächst 17 Staaten unabhängig. Mit beiden historischen Ereignissen verbinden sich Fragen der nationalen Zugehörigkeiten und Identitäten.

Künstler reagieren auf diese Veränderungen immer seismografisch sensibel. Das wird sich auch in den in Berlin entstehenden Arbeiten zeigen.

El Anatsui, 1944 in Ghana geboren, heute in Nigeria lebend und arbeitend, bespielt die Säulenvorhalle der Alten Nationalgalerie mit ihrem mächtigen Giebel und der Inschrift „DER DEUTSCHEN KUNST MDCCCLXXI“. Gegen das architektonisch weitläufige Pathos hält er seine strenge Materialökonomie, Recyclingstoffe bilden die Grundlage seiner Arbeit.

Yinka Shonibare MBE, nigerianischer Herkunft und 1962 in London geboren, wird in der Friedrichswerderschen Kirche ausstellen. Mit ihrer neugotischen Gestalt und der roten Backsteinfassade kündet sie von großer patriotischer Gesinnung – galten doch Backstein und Gotik seit jeher als originär deutsch. Inmitten der ausgestellten Bildwerke des 19. Jahrhunderts, die hier den Geist der Goethezeit verkörpern, thematisieren Shonibares Arbeiten die wirtschaftlichen Hintergründe des europäischen Kolonialismus und machen eine kolonial geschriebene Geschichtsforschung offenbar. Sein „Markenzeichen“ ist die Verwendung von so genannten „afrikanischen“ Textilien mit ihren bunten Mustern an denen sich Fragen nach der Identität entzünden.

Pascale Marthine Tayou, 1967 in Kamerun geboren, wird für den Eingangsbereich auf der Terrasse der Neuen Nationalgalerie eine Installation entwickeln. Die Neue Nationalgalerie von Mies van der Rohe ist eine Ikone moderner Architektur. 1968 eröffnet, bildete sie die Transparenz und Weitläufigkeit das Selbstverständnis der damaligen Bundesrepublik ab. Hier wird er dem Kontinent Afrika eine große Sichtbarkeit verleihen und fragen, inwieweit die Insignien afrikanischer Nationalitäts- und Identitätsbildung tatsächlich taugen.

Für António Ole, geboren 1951 in Angola und heute in Luanda lebend wird der Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin zur Spielstätte. Die Entstehung des Museums ist eng verbunden mit der deutschen Geschichte nach 1989. Da das gesamtes Oeuvre von António Ole auf eindrücklicher Erinnerungsarbeit seines Kontinents beruht, erzählt er die unerzählten Geschichten, die geprägt sind von Sklaverei, Armut, Krieg und langsamen Niedergang aller Strukturen. In der Arbeit werden die oftmals unbekannten Verbindungen zu Afrika deutlich.

Zarina Bhimji wurde 1963 in Uganda als Tochter einer indischen Einwanderungsfamilie geboren und lebt seit 1974, nachdem Idi Amin Asiaten aus Uganda vertrieben hatte, in London. Bhimji wird im Inneren des Hamburger Bahnhofs eine Videoarbeit ausstellen und nutzt – ebenso wie António Ole – die engen Vernetzungen von Afrika und Europa als Folie für ihre Arbeit. Bhimjis Arbeiten sind immer intensive Erzählungen, die miteinander verkettete Ereignisse entfalten.

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Who knows tomorrow
Kuratoren: Udo Kittelmann, Chika Okeke-Agulu, Britta Schmitz

Künstler: El Anatsui, Yinka Shonibare, Pascale Marthine Tayou, Antonio Ole, Zarina Bhimji

Stationen:
1. Neue Nationalgalerie
2. Hamburger Bahnhof
3. Alte Nationalgalerie
4. Friedrichswerdersche Kirche