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Eine Auswahl der Meisterwerke der modernen Kunst aus Lüttich

Erstmals findet ein Austausch zwischen den Sammlungen der Stadt Lüttich und dem Bonnefantenmuseum in Maastricht statt. Obwohl Maastricht und Lüttich geografisch gesehen nicht weit voneinander entfernt sind, beeinträchtigen kulturelle und insbesondere sprachliche Unterschiede allzu häufig einen guten Kontakt. Im Anschluss an die Ausstellung der Sammlung des Bonnefantenmuseums bei den belgischen Nachbarn findet jetzt ein Gegenbesuch in Maastricht statt.

Wenngleich die Sammlung der klassischen Modernen ein außerordentlich hohes Niveau aufweist, genießt sie noch keine große Bekanntheit. Die TEFAF 2011 ist eine hervorragende Gelegenheit, der breiten Öffentlichkeit und den Professionals die „Schätze" aus Lüttich vorzustellen. Sie wurden seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts zusammengetragen und verdanken ihre Kohärenz nicht zuletzt zwei aufsehenerregenden Schritten. Dabei handelt es sich zum einen um den (Teil-) Erwerb aus der Privatsammlung von Fernand Graindorge, einem Sammler von europäischem Format und lange Zeit der Kunst-Schrittmacher in Lüttich und Umgebung. Der zweite Schritt ist der Kauf von neun Gemälden auf der berühmten Auktion in Luzern, bei der im Jahr 1939 Kunstwerke versteigert wurden, die im NS-Regime als „Entartete Kunst" galten. Dieser Versteigerung verdanken wir unter anderem Gemälde von James Ensor, Marc Chagall, Paul Gauguin und Pablo Picasso.

In der Ausstellung Wintertuin präsentiert das Bonnefantenmuseum vierzig klassische Meisterwerke aus den Sammlungen der Stadt Lüttich und der französischsprachigen Gemeinschaft Belgiens, zu denen auch sieben Werke von außergewöhnlicher Qualität gehören, die als „belgischer Nationalschatz" gelten (Chagall, Ensor, Gauguin, Kokoschka, Liebermann, Marc, Picasso). Die Ausstellung zeigt eine Auswahl von Werken führender Vertreter des französischen und belgischen Vorimpressionismus und Impressionismus bis hin zu Vertretern der „Ecole de Paris" aus dem ersten Viertel des letzten Jahrhunderts mit Werken von unter anderem Monet, Pissarro, Ensor, Van Rysselberghe, Signac, Picasso, Chagall, Marc, Kokoschka, Gauguin, Léger und Arp. Es folgt eine kleine Auswahl aus Wintertuin in chronologischer Reihenfolge mit Beschreibung einiger zentraler Werke.

James Ensor (1860-1949) L'Hôtel de Ville de Bruxelles (1885) ist eine der seltenen Stadtansichten von Ensor. Das kompositorische Spiel mit den Dächern und Fassaden ist recht bemerkenswert, allerdings stechen die geometrischen quadratischen Flächen in Primärfarben auf der öffentlichen Plakatwand am meisten hervor. Mit diesen Quadraten in Primärfarben manifestierte Ensor in diesem in punkto Farbgebung relativ klassischen Gemälde erstmals die Avantgarde. Ein anderes Gemälde gilt eher als Beispiel für Ensors groteske Periode, die Ende 1880 einsetzte, und in der sich als logische Konsequenz das Makabere und Lächerliche des menschlichen Schicksals in seinem Werk manifestiert. La Mort et les Masques (1897) zeigt den Tod mit einer Kerze in der Hand, umgeben von sieben Masken. Das Thema des Todes taucht wieder in der Luft auf, wo zwei Skelette einem Heißluftballon nachjagen. Die im Werk von James Ensor verwendeten Masken, Chinoiserien und Muscheln sind eine unmittelbare Anspielung auf das bunte Sammelsurium im Souvenirgeschäft seiner Eltern in Ostende.

Théo van Rysselberghe (1862-1926) Ebenso wie James Ensor gehörte auch Van Rysselberghe dem „Cercle des XX" an, einer Künstlergruppe, die den Akademismus ablehnte und die damaligen Avantgarden suchte. Ab 1883 veranstaltete diese Gruppe alljährlich eine Ausstellung, zu der zwanzig andere Künstler eingeladen wurden. Die beiden Werke von Van Rysselberghe in der Ausstellung Wintergarten zeugen eindrucksvoll von seinem Talent für die Porträtmalerei. Les sœurs du peintre Schlobach aus dem Jahr 1884 ist eine Komposition mit einem in vielen Grautönen gehaltenen Hintergrund und zahllosen exotischen Anspielungen (wahrscheinlich das Ergebnis eines Aufenthalts des Künstlers in Marokko kurz vor der Entstehung dieses Werks). Im Gegensatz zu der reichen Textur, dem gedämpftem Licht und der in den Stoffen und Teppichen angedeuteten Bewegung unterscheiden sich die beiden Hauptfiguren durch ihre statische Haltung und ihren nüchternen Ausdruck.

Ein anderes Werk, La Dame en blanc – Portrait de Mme Théo van Rysselberghe, aus dem Jahr 1904 bringt seine Affinität mit dem Neoimpressionismus von Seurat zum Ausdruck, ohne dass er sich vollständig zum Pointillismus bekehrt. Dieses Gemälde gehört zu einer Serie von Porträts von Schriftstellern und Künstlern, zu denen Van Rysselberghe enge Beziehungen unterhielt. In diesem Fall handelt es sich um ein Porträt seiner Gattin, die Herausgeberin der Kataloge des „Cercle des XX" und der Zeitschrift „l'Art Moderne" war. Das Buch in ihrer Hand symbolisiert ihre enge Verbundenheit zur Kunst, Literatur und zum Verlagswesen.

Paul Gauguin (1848-1903) Le Sorcier d'Hiva-Oa ou Le Marquisien à la cape rouge (1902)ist eines der letzten Werke, die Gauguin kurz vor seinem Tod im Jahr 1903 malte. Die Hauptfigur ist der Zauberer und beste Tänzer auf der Insel Hiva Oa, auf der der Maler, auf der Flucht vor der zunehmenden Verwestlichung von Tahiti, seine letzten beiden Lebensjahre verbrachte. Die dargestellte Person hat Gauguin in die Sitten und Gebräuche und der Insel eingeführt. Le Sorcier d'Hiva-Oa gehört zu einer Serie von Porträts „femininer" Männer mit androgynen Zügen, die in der polynesischen Gesellschaft weit verbreitet waren. Die Szene, die sich zwischen den drei Personen abspielt, hat etwas Rätselhaftes. Sie konzentriert sich auf die linke Seite, während sich auf der rechten Seite der Leinwand eine heitere Naturszene entfaltet.

Pablo Picasso (1881-1973) Picasso fertigte im Auftrag seines Schneiders das Gemälde La famille Soler (1903) an und erhielt im Gegenzug einige Anzüge. Es war ursprünglich Bestandteil eines Triptychons, zu dem ebenfalls die Porträts von Monsieur und Madame Soler gehören. Dieses Werk ist ebenfalls unter dem Titel Le déjeuner sur l'herbe de la famille Soler bekannt, eine Anspielung auf das Werk von Edouard Manet. Es unterscheidet sich jedoch (unter anderem) durch die Anwesenheit eines Gewehrs, einer Jagdtasche und eines Hasen von Manets Thematik, deutliche Hinweise auf eine Jagdpartie. Zu Beginn seiner „Blauen Periode", als er in Barcelona wohnte, malte Picasso eine Serie von Porträts von Freunden und Menschen aus seiner unmittelbaren Umgebung. Dieses Gruppenporträt wurde nach einer Fotovorlage angefertigt und nicht nach Modell, was die etwas starre Haltung der dargestellten Personen erklärt. Der Hintergrund ist einheitlich smaragdgrün/blau (nach einigen übermalten kubistischen Versuchen oben links auf dem Gemälde, hinter dem Kopf von Madame Soler), eine Anspielung auf die damals von Fotostudios verwendeten Hintergrundleinwände.

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Wintertuin (Wintergarten)
Kurator: Alexander van Grevenstein

Künstler: Oskar Kokoschka, Marc Chagall, Pablo Picasso, Paul Gauguin, Theo van Rysselberghe, James Ensor