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Wolfgang Laib, 1950 im deutschen Metzingen geboren, ist der bisher jüngste Künstler, dem die Fondation Beyeler eine Einzelausstellung widmet. Die Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler und ermöglicht in den schlichten, von Renzo Piano gestalteten Räumen der Fondation Beyeler eine besonders intensive Begegnung mit Laibs Werk.

Mit seinem unverwechselbaren Schaffen, das auf der Arbeit mit natürlichen Materialien basiert, gehört Laib zu den herausragenden Persönlichkeiten der Kunst der letzten dreissig Jahre. Nachdem ihm bereits verschiedentlich Schweizer Galerien und Museen (darunter 1990 das Kunstmuseum Luzern und zuletzt 2003/04 die Galerie Caratsch de Pury & Luxembourg in Zürich) Ausstellungen gewidmet haben, präsentiert die Fondation Beyeler nun als erstes Schweizer Haus eine Retrospektive des Künstlers, die alle Aspekte seines Schaffens berücksichtigt. Wolfgang Laib, der u. a. mit Blütenstaub, Milch, Reis und Wachs arbeitet, konzentriert sich auf wenige Werkgruppen, die er zyklisch weiterentwickelt. Sie werden in der Ausstellung vorgestellt und machen deutlich, wie der Künstler mit seinen Installationen dem modernen Ausstellungsraum ungewohnte Dimensionen abringt. Diese sind nicht zu trennen von der tiefen Spiritualität des Künstlers, in der Östliches und West-liches zu einer für das Werk charakteristischen Einheit finden. Denn Laib, der von seiner Ausbildung her Arzt ist, ist als Künstler und Mensch genauso stark geprägt von östlichen Riten, Formen und Weisheitslehren wie von der Mystik eines Franz von Assisi und von Künstlern der Moderne wie Mondrian, Malewitsch, Brancusi oder Joseph Beuys.

In der Ausstellung sind rund zwanzig raumbezogene Arbeiten sowie um die dreissig Zeichnungen und Fotografien zu entdecken, darunter mehrere Werke, die noch nie in der Schweiz zu sehen waren. Zeitlich setzt die Ausstellung mit einem der beiden Welten-Eier aus massivem Stein ein, die der Künstler in den frühen 1970er Jahren realisierte und die den Beginn seines künstlerischen Weges markieren. Es folgen die Milchsteine, Laibs erste museale Werke, die ab 1975 entstehen und bis heute als Werkkategorie weitergeführt werden. Die Milchsteine sind schlichte Objekte, die am Boden platziert werden. Die recht-eckigen Steine aus Marmor weisen oben eine leichte Vertiefung auf und werden täglich von neuem mit Milch gefüllt. Der weisse Marmor und die Milch verbinden sich dabei zu einer visuell untrennbaren Einheit aus Hartem und Beweglichem. Es folgen die berühmten Blütenstaubfelder, von denen einige auch schon in Sonderausstellungen der Fondation Beyeler zu sehen waren (Magie der Bäume, 1998 und Blumenmythos, 2005). Sie bestehen aus der leuchtenden Essenz von Blütenstaub, der in magisch leuchtenden Rechtecken auf dem Museumsboden ausgestreut liegt. Der Künstler sammelt ihn selbst auf den Wiesen und in den Kieferwäldern seiner oberschwäbischen Heimat. In Gläsern aufbewahrt, wird der Blütenstaub zu jeder Ausstellung in prozessualer Weise sorgfältig neu ausgestreut. Auf den Fotografien, die diesen Prozess in Katalogen und Zeitungsartikeln dokumentieren, erscheint der Künstler wie ein meditativer Jackson Pollock, der eine spirituelle Abstraktion aus reiner Natur in den profanen White Cube streut, den klassischen Ausstellungsraum der Moderne.

In Werken wie den Milchsteinen oder den Blütenstaubfeldern, die zur stillen Betrachtung einladen, gelingt es dem Künstler, den Museumsraum um eine neue Dimension der Wahrnehmung zu bereichern. Erst in später einsetzenden Werkgruppen beginnt er dann, aus dem statischen Ruhen des Werks im Raum auszubrechen. Dies gilt etwa für die länglich angeordneten, mit Reis gefüllten Messingteller der Reismahlzeiten oder die kleinen, aus Blütenstaub aufgehäuften fünf unbesteigbaren Berge. Hier lädt uns das Werk ein, an ihm entlangzugehen und den Raum, in dem es gezeigt wird, in seinem Rhythmus zu durch-messen. Diese Tendenz zur räumlichen Dynamik nimmt stark zu, sobald der Künstler sich daran macht, grössere Arbeiten zu gestalten, die sich nun auch zunehmend in die Höhe erheben. Zu nennen sind ab 1995 die treppenförmig ansteigenden Zikkurat-Türme und die Wachsschiffe, die auf hohen Holzgestellen den Raum durchziehen. Die Zikkurats zitieren entsprechende Formen religiöser östlicher Architektur, wandeln diese aber in eine im Museumsraum erfahrbare Sprache um: Indem wir mit unseren Augen der Topografie der Türme folgen, wird der Museumsraum für uns zum Ort eines metaphorischen Aufstiegs, der nicht nur ästhetischer Natur ist. Noch greifbarer ist die Idee der Bewegung bei den Wachs-schiffen, die auf ihren Holzgestellen z. T. bereits von einem Raum in den nächsten führen. Hier zeigt uns Wolfgang Laib den musealen White Cube als einen Ort, dessen Grenzen überwindbar sind. Ehemals Behälter einer künstlich belebten Statik, wird er nun zum möglichen Ausgangsort einer mythischen Reise. In der Fondation sind die Wachsschiffe spektakulär im Foyer des Museums aufgestellt und begegnen dort einem monumentalen Werk der UBS Art Collection, die zeitgleich, aber ansonsten separat im Museum ausgestellt ist.

Weiter präsentiert die Ausstellung auch zentrale Beispiele der »eigenräumlichen« Arbeiten Laibs, die einen Höhepunkt seines Schaffens darstellen. Zum einen sind hier die bereits ab den späten 1980er Jahren entstehenden Wachsräume zu nennen, von denen einer in der Ausstellung zu sehen und zu erfahren ist. Hier begnügt Laib sich nicht mit einem bestehen-den (Museums-)Raum, sondern gestaltet selbst längliche, ganz mit Wachs ausgekleidete, ansonsten aber leere Räume, die der Betrachter mit seiner Präsenz ideal ergänzt: Das Werk wird sich nun selbst zum Ort. Dies gilt auch für eine neue Arbeit, den Lackraum aus schwar-zem und zinnoberrotem Thitsi-Lack aus Burma (Myanmar). Während aber die grundsätzlich transportierbaren Wachs- und Lackräume als Raum im Raum konzipiert sind, wird in den seit 2000 entstehenden Wachsräumen, die direkt in die Natur eingebettet sind, ein letzter Schritt vollzogen: In ihnen emanzipiert sich Laibs Kunst vollends vom White Cube. Von diesen Wachsräumen existieren nur zwei, einer davon ist vor kurzem auf dem Grundstück des Künstlers neu entstanden. Er ist öffentlich nicht zugänglich und wird im Katalog der Ausstel-lung der Fondation Beyeler zum ersten Mal fotografisch dokumentiert.

Die Ausstellung zeigt zudem wichtige Arbeiten aus der Werkgruppe der schreinartigen Reishäuser, eine mit burmesischem Lack überzogene Lacktreppe und eine noch nie gezeigte wandbezogene Arbeit aus dreieckigen Wachselementen. Ausgewählte Zeich-nungen und Fotografien des Künstlers runden die Ausstellung ab. Während Laib in den Zeichnungen seine räumliche Arbeit um präzise und zugleich freie Meditationen über seine Motive und Themen erweitern kann, dokumentieren die Fotografien seinen künstlerischen Blick auf Landschaften und (oft sakrale) Monumente und Objekte, die zumeist aus dem mittleren und fernen Osten stammen und für das Verständnis seines Werkes von grossem Interesse sind. Diese Werke dokumentieren zusätzlich Laibs besondere Affinität zur Dimen-sion des Religiösen bzw. des Kontemplativen. Diese Affinität hat dazu geführt, dass in der Literatur z. T. der Antagonismus formuliert wurde, das Künstlerisch-Konzeptuelle an Laibs Konzept sei westlich, das Religiös-Weltanschauliche daran aber östlich.

Demgegenüber sah der mit dem Künstler besonders verbundene Harald Szeemann diese beiden Bestandteile bereits bei anderen Künstlern vereint und vorweggenommen, in deren Nachfolge er Laib verstand: bei Kandinsky, Mondrian und Brancusi. Laut Szeemann ist Wolfgang Laib » ... kein Europäer indischer Prägung, der sich des Kontextes der Kunst bedient; er ist vielmehr ein bewusster zeitgenössischer Künstler, der durch kleinste skulp-turale Gesten unermesslich weite Räume aufzeigt«.

Dies wäre freilich nicht möglich ohne jene besondere innere Haltung des Künstlers, in der – von einer Gestalt wie Buddha über Franz von Assisi bis hin zum Sufi-Mystiker Dschelaleddin Rumi – ganz verschiedene Kräfte miteinander verbunden sind: Laib präsentiert sich so als ein zeitgenössischer Künstler, der seit über dreissig Jahren am radikalen Konzept einer umfassenden Einheit festhält. Etwas von dieser Radikalität schwingt im Untertitel der Aus-stellung mit, der auf eine Äusserung Laibs zurückgeht: – »Das Vergängliche ist das Ewige.«

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Wolfgang Laib: Das Vergängliche ist das Ewige
Kuratoren: Philippe Büttner, Ulf Küster