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Wenige Motive sind in der Kunst der letzten Jahrhunderte so oft dargestellt worden wie der Wolkenhimmel. Barock, Romantik oder Moderne - in jeder dieser Epoche spielten sie eine eigene Rolle. Umso verwunderlicher erscheint es, dass sich bislang noch nie eine Ausstellung auf dieses facettenreiche Thema konzentriert hat. Das Bucerius Kunst Forum und das Jenisch Haus in Hamburg schließen jetzt diese Lücke. Die Ausstellung geht im Anschluss an die Alte Nationalgalerie in Berlin und das Aargauer Kunsthaus in Aarau/Schweiz.

Ein Schwerpunkt der Schau, die Gemälde und Graphik vom 16. bis zum 20. Jahrhundert umfasst, liegt auf der Zeit um 1800, als ein neuer Blick auf den Himmel die gesamte europäische Kunst revolutionierte. Zeitgleich mit der Entstehung der wissenschaftlichen Wetterkunde, der Meteorologie, machte es sich eine Malergeneration zur Aufgabe, ein wirklichkeitsgetreues Bild der Wolken in ihrer Vielschichtigkeit zu erfassen und darzustellen. Natur-wissenschaftler und Künstler traten in einen intensiven Austausch. Das Ergebnis war neben ersten illustrierten Abhandlungen zur physikalischen Erklärung des Wetters eine Kunst, die Wolken nicht mehr als schmückendes Beiwerk sah, sondern die oft dramatischen Erscheinungen am Himmel ins Zentrum rückte. Diese damalige „Entdeckung des Himmels“ hatte Folgen für die Kunst bis heute. Während sich das Bucerius Kunst Forum insbesondere der Malerei und den Epochen vom 16. bis zum 20. Jahrhundert zuwendet, zeigt das Jenisch Haus überwiegend Graphik (Zeichnungen, Aquarelle, Studien) mit dem Schwerpunkt auf der Zeit um 1800. Die Zusammenarbeit der beiden Hamburger Häuser mit den Museen in Berlin und Aarau eröffnet die Möglichkeit einer besonders qualitätsvollen Auswahl von Gemälden, Studien, Skizzenbüchern und Instrumenten, die nur selten außerhalb ihrer Sammlungen gezeigt werden. Zu den Höhepunkten der Ausstellung gehören Werke von William Turner, John Constable, Caspar David Friedrich und Jean Baptiste Camille Corot aus dem Louvre, der Londoner National Gallery, der Tate Gallery, London, dem Science Museum, London, sowie aus den Staatlichen Museen zu Berlin und der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen.

Bucerius Kunst Forum Im Zentrum steht die europaweite Begeisterung für Wolken, der um 1800 Künstler wie Constable, Turner, Friedrich, Corot und Dahl erlegen waren. Im Bucerius Kunst Forum werden mit ihren Gemälden, Ölstu-dien und Zeichnungen die Auswirkungen des Studiums der Wolken und des Lichts auf die europäische Land-schaftsmalerei vorgestellt. Den Auftakt bildet eine Gruppe niederländischer Meisterwerke (Ruisdael, Van Goyen, Van de Velde). Die großen Himmel mit spektakulären Wolken übernehmen hier die Hauptrolle im Landschaftsbild. Malereitraktate gaben den Künstlern erste Anleitungen zum Wolkenstudium. Der Rundgang leitet den Be-sucher dann nach Rom. Dort hatte sich eine internationale Gemeinschaft gebildet, die als „Akademie des Realismus“ arbeitete (Valenciennes, Blechen, Granet). Sie malten unter freiem Himmel und hielten in Zeichnungen und Ölskizzen die flüchtigen Himmelserscheinungen fest. Sie schulten ihr Auge an den ständig sich verändernden Wolkenphänomenen. Die Landschaftsmalerei war bald nicht mehr das, was sie zuvor war. Statt wie im Barock als Hintergrund für religiöse oder mythologische Erzählungen herzuhalten, wurden Wetter, Licht und Luft zum eigentli-chen Bildge-schehen. Der eigene, heimatliche Landschaftsraum wurde aufgewertet und ein „nationales Landschafts-bild“ mit einem entsprechend charakteristischen Himmel begründet. Das Wolkenstudium war zugleich der Motor für die Befreiung der malerischen Mittel. In Auseinandersetzung mit der Wolke als Lehrmeisterin begann die Malerei zunehmend, sich selbst die Spezifika von Veränderung und Bewegung zu eigen zu machen. Hier zeigt sich bald auch die Wende einer Entwicklung – das empirisch-aufklärerische Interesse an der Wolke geht immer mehr über in die Beobachtung von Ana-logien zwischen Natur und Kunst. Ihnen widmet sich eine letzte Sektion: Einige Beispiele der Kunst des 20. Jahrhunderts belegen, inwieweit das Abstraktionspotential der Wolken- und Himmelserscheinungen weiter genutzt wird (Strindberg, Hodler, Nolde, Mondrian).

Jenisch Haus Im Jenisch Haus wird das Wolkenthema unter dem Aspekt der Beziehungen zwischen Kunst und Wissen-schaft um 1800 beleuchtet. Zu Beginn der Ausstellung zeigen Wolkenatlanten, Fototafeln und Wetterbe-richte jüngeren Datums, dass die heutige meteorologische Praxis zu großen Teilen auf den vor 200 Jahren gewonnenen Erkenntnissen beruht. Die nächste Abteilung widmet sich der Wolke als Kulisse, wie sie noch um 1780 im populären Theater begegnete, sowie der Wolke als Trägerin göttlicher Macht in der Tradition der Votivbilder. Papiertheater und das Eidophysikon („Wolkentheater“) des Jacques-Philippe de Loutherbourg trugen wesentlich zur Popularisierung der Wolkenlust bei Die Ausstellung zeigt erstmals den Nachbau eines solchen bühnengroßen „Wolkentheaters“, das durch Vorführungen belebt wird. Es folgen zwei Räume, welche die Entwicklung der Meteorologie und die Ausprägung einer Wolken-Terminologie in England darstellen. Hier wird Luke Howard, der "Erfinder der Wolken", anhand seiner Schriften, Instrumente und Zeichnungen präsentiert. John Constable setzte sich 1821/22 in seinen "sky campaigns" intensiv mit den Wolken auseinander; mehrere seiner Studien sind in der Ausstellung zu sehen, daneben Zeichnungen des für die Wolkenmalerei einflussreichen Alexander Cozens sowie Aqua-relle von William Turner. Eine umfangreiche Auswahl aus Goethes Wolkenzeichnungen macht deutlich, dass der Weimarer Dichter Howards Lehre auf dem Kontinent wohl am einflussreichsten verbreitete. Auch seine Idee, Künstler zu neuen, an der Wissen-schaft geschulten Wolkendarstellungen anzuhalten, wird hier vorgestellt. Eine weitere Abteilung präsen-tiert die "Wolkenmode", der zahlreiche Künstler von Norwegen bis Österreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlagen (Dahl, Carus, Dillis u.a.). Den Rundgang beschließt die Installation eines sehr selten gezeigten Transparentbildes von Friedrich, das eine Flusslandschaft mit Wolkenhimmel bei Morgen, Abend und Nacht darstellt. Der Wolkendienst, eine Außeninstallation auf dem Dach des Jenisch Hauses in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst, dient der Beobachtung des Himmels durch die Besucher.

Zur Ausstellung erscheint ein gemeinsamer Katalog im Hirmer Verlag, München, der als erste zusam-menfassende Publikation zum Thema gelten darf. Er wurde durch ein mit dem Kunsthistorischen Institut der Hamburger Universität im Warburg-Haus veranstaltetes Symposium vorbereitet. Hrsg. von Heinz Spielmann und Ortrud Westheider, mit Beiträgen von Julia Berger, Andreas Beyer, Werner Busch, Bärbel Hedinger, Werner Hofmann, Petra Kipphoff, Inès Richter-Musso, Heinz Spielmann, John E. Thornes, Birgit Verwiebe, Ortrud Westheider und Moritz Wullen; 240 Seiten, farbige Abb. aller ausgestellten Werke, Hirmer Verlag, München Pressetext

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Wolkenbilder. Die Entdeckung des Himmels
Eine Doppelausstellung in Hamburg
Bucerius Kunst Forum und Jenisch Haus
mit Werken von mit Werken von William Turner, John Constable, Caspar David Friedrich, Camille Corot, Jacob van Ruisdael, Jan van Goyen, August Strindberg, Ferdinand Hodler, Emil Nolde, Piet Mondrian, u.a.

weitere Stationen:
Alte Nationalgalerie in Berlin
Aargauer Kunsthaus Aarau