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bechter kastowsky galerie Schaan
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6. Mai bis 8. Juli 2023

XIANWEI ZHU
Beyond Landscape

„Das Leben birgt viele Umwege in sich. Die Kunst besteht darin, dabei die Landschaft zu bewundern.“ (Zen Weisheit)

Ost und West, Zen Buddhismus und europäische Romantik, traditionelle chinesische Kunstausbildung und die freie Kunstakademie in Stuttgart: Xianwei Zhu bewegt sich zwischen Gegensätzen, welche er in seiner Malerei verbindet. Es ist die Landschaft, welche der in Qingdao, China, geborene Maler als Motiv für seine Betrachtung verwendet. Berge, Seen, Wälder – eingehüllt in Nebel, aufgelöst in einer freien Malerei, mit lasierenden flüssigen Farben und einem abgehackten Pinselduktus – erinnern auf den ersten Blick an traditionelle Berg-Wasser-Malereien aus China: Xianwei Zhu abstrahiert die Landschaft, deckt sie im Dunst der Morgendämmerung zu.

Es ist der Austausch, den der Maler so schätzt: der Austausch der Gegenstände, nichts scheint fest zu sein, alles scheint zu fliessen, die anfänglich kräftige Farbe wird von einer zarten weissen Nebelschicht überdeckt, es ist die Grösse der Natur und die Kleinheit des Menschen – oft dargestellt mittels einer kleinen Gestalt am Bildrand – abgewandt vom Betrachter schaut sie, wie dieser, auf die Erhabenheit der Natur. Ein klassisches Beispiel für die Malerei der europäischen Romantik. Wer kennt sie nicht, die atemberaubenden, ehrfurchterfüllenden Landschaftsbilder eines Caspar David Friedrichs? Klein sind wir Menschen, gross und sublim die Natur: „Wenn eine Gegend sich in Nebel hüllt, erscheint sie grösser, erhabener und erhöht die Einbildungskraft und spannt die Erwartung. Auge und Phantasie fühlen sich im allgemeinen mehr von der duftigen Ferne angezogen als von dem, was so nah und klar vor Augen liegt.“, so Friedrich. Der Pantheismus jener Zeit, welcher in Gedichten Hölderlins genauso prägend war, wie eben in der gottgleichen Natur bei Caspar David Friedrich, steht der Lehre der Chinesen diametral gegenüber. Im Zen Buddhismus erübrigt sich Gott, die Maler, welche jener Prämisse folgten, haben alles ineinander übergehen lassen: „Die Berge schweben über den Wolken und wandern durch den Himmel. Die Gipfel des Wassers sind die Berge; das Wandern der Berge, aufwärts und abwärts, geschieht ständig auf dem Wasser.“, so der japanische Gelehrte Dôgen.

Und mittendrin ein Wanderer: Xianwei Zhu. Seine Bilder erheben in keiner Weise den Anspruch an das Sublime einer Romantik und gleichzeitig sind sie auch nicht als eine „Leere“ zu verstehen, welche die taoistische chinesische Malerei als wesentliche Qualität in sich trägt. Dargestellt ist auch nicht eine traditionelle chinesische Landschaft, genausowenig wie die exakte Abbildung deutscher Natur erkennbar ist. Xianwei Zhu studiert die Landschaft um sich, skizziert sie: klassisch, mit Tusche auf Papier und doch arbeitet er im Atelier frei, die Natur entsteht aus seinem Inneren, aus seinen Eindrücken und er löst die Gegenstände auf, vertauscht die Eigenschaft und lässt Festes fliessen.

Seine Wurzeln sind in China – seine heutige Heimat ist Deutschland. Auf die Frage nach seiner Prägung durch Bücher, antwortet Xianwei Zhu: „Ich lese gerne Philosophie und Gedichte: Heidegger, Hölderlin, Rilke, Lao Tzu und alte Gedichte aus China.“ Es ist die perfekte Vereinigung, welche uns der Maler auf seiner Leinwand hinterlässt. Der Blick auf Tradition und die Öffnung in die Zukunft und gleichzeitig sehr wohl auch der kritisch soziale Wink in die Jetztzeit: „Die Menschen im digitalen Zeitalter entfernen sich immer mehr von der Natur und ich hoffe, dass meine Bilder den Wunsch wecken, in die Natur zurückzukehren.“

Betrachten wir diesen Wunsch, wie die kleine Rückfigur in seinem Werk: zuerst ehrfürchtig und dann selbstbewusst, tauchen wir in die Natur ein und werden Eins, mit dem, was uns im Bild begegnet. Olivia Franke (Direktorin Künstlerhaus Lukas und Neues Kunsthaus Ahrenshoop) schreibt zum Werk Xianwei Zhus: „Diese Bilder führen die Welt nicht primär vor Augen, sondern den Betrachter zur Welt hin.“ Machen wir uns auf den Weg und wandern durch die Landschaft dieses Brückenbauers und begleiten ihn ein Stück auf seiner Wanderung.
„Bevor jemand Zen studiert, sind Berge Berge und Wasser ist Wasser; nach einem ersten Blick in die Wahrheit des Zen sind Berge nicht mehr Berge, und Wasser ist nicht länger Wasser; nach der Erleuchtung sind Berge wieder Berge, und Wasser ist wieder Wasser.“ (Zen Weisheit)

Eva-Maria Bechter