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Mit ‚ATLANTIS II - Hidden Histories – Imagined Identities’ zeigt Rohkunstbau den zweiten und letzten Teil des Atlantis-Zyklus. Basierend auf dem Mythos von Platon und seinen fiktiven politischen Dialogen ‚Kritias’ und ‚Timaios’ liegt der Schwerpunkt der diesjährigen Sommerausstellung auf dem elitären Staatssystem ‚aristos’. Zehn Künstler aus sechs Nationen wurden eingeladen, sich in ihren ortsbezogenen Arbeiten mit der Idee eines Idealstaates und der Möglichkeit dessen Realisierung zu befassen. Die Künstler bringen hierzu ihre persönlichen Sichtweisen zur Sprache.

Auch in diesem Jahr bildet Schloss Marquardt, verwunschen an den Ufern des Schlänitzsees gelegen, den Schauplatz der Ausstellung. Ein Ort mit langer Geschichte und unterschiedlichsten Herrschaftsformen, den Charme der Potsdamer Schlösserlandschaft versprühend und eingebettet in einen von Peter Joseph Lenné geschaffenen Landschaftsgarten, den Fontane schon in seinen ‚Wanderungen durch die Mark Brandenburg’ erwähnte. Untergang und Wiedererstehen treffen hier im preußischen Arkadien aufeinander und fließen in die Ausstellung und ihre Werke mit ein.

JOHANNA SMIATEK empfängt den Besucher in der imposanten Eingangshalle des Schlosses mit einem Pavillon. Wirkt dieser zunächst geschlossen wie eine Säule, zeigt er sich dem Betrachter im Inneren fast transparent durch die rundherum angebrachten Spiegel. Sieht man erst nur sich selbst, wird beim Betreten ein Mechanismus ausgelöst, durch den eine Stadtsilhouette hinter den Spiegeln wahrgenommen wird, die mit ihren fremdartigen Gebäuden Assoziationen nach einer anderen Welt hervorruft.

Im Gartensaal stellt sich dem Besucher eine Wand in den Weg, die sich zur Gartenfront hin öffnet und zwei großformatige Gemälde von SEAN DAWSON zeigt. Inspiriert von der Möglichkeit, dass in jeder noch so gewöhnlichen Alltäglichkeit etwas Geheimnisvolles verborgen sei, schafft er scheinbar dreidimensionale Objekte, die durch energische Farbexplosionen – mit versteckten Details, Transformationen und Metamorphosen spielend – auf der Oberfläche der Leinwand zu fließen scheinen.

WAFAE AHALOUCH EL KERIASTI hat für den sich anschließenden Salon aus ihren raumgreifenden Installationen schwarzweißer, großformatiger Zeichnungen ein Karussell gebaut. Das Spielerische, teilweise Märchenhafte ihrer Objekte ist jedoch eine Illusion: Die Pferde auf dem Karussell sind im Fall begriffen und nicht mehr aufzuhalten. Sie symbolisieren damit den Untergang von Atlantis.

ORI GERSHT porträtiert in seiner filmischen Arbeit Evaders die Reise einer Person auf der ‚Lister Route’ in den Pyrenäen zwischen Frankreich und Spanien. Gersht erinnert an den historischen Weg, über den im 2. Weltkrieg Intellektuelle, politisch Verfolgte und Künstler flohen. Auch Walter Benjamin, dessen Text die filmische Reise begleitet, unternahm einen Fluchtversuch und beging nach dessen Scheitern in Portbou Selbstmord. Heute im vereinten Europa ist die ‚Lister Route’ ein landschaftlich reizvoller Pfad, der nur noch symbolisch die Grenze zwischen zwei Ländern darstellt, einst aber zwischen Leben und Tod entschied.

Im Obergeschoss zeigt ELISA SIGHICELLI in zwei separaten Räumen fotografische Arbeiten, die durch ihre Transparenz und Lumineszenz fast wie ‚Licht-Zeichnungen’ wirken: Es sind Gemälde alter Meister zu sehen, die – abfotografiert und von Personen befreit – nur die Landschaft transformiert in einer Lichtbox zeigen, verträumt und fiktional, wie dem Betrachter in seiner Phantasie auch die Landschaft von Atlantis erscheinen mag.

MAT COLLISHAWs Video-Installation Vanitas setzt sich mit der Vergänglichkeit auseinander. Passend zum Thema Atlantis sind die Grenzen zwischen fiktiv und vergänglich fließend, das Romantische zeigt seine Morbidität, das Ästhetische wird zum Albtraum. Dabei wird das Element der Provokation vom Künstler ganz bewusst eingesetzt.

WILHELM SASNAL zeigt drei Gemälde, die nach selbst angefertigten oder gefundenen Fotografien entstanden sind, welche als malerische Vorlage dienen. Mit ihnen kreiert er Bilder der Banalität, des Konsums und des Intimlebens. Er erhebt das Banale zur Ikone, seine einfache Bildersprache behandelt die verschiedensten Themen von simplen Alltagsgegenständen bis hin zum Holocaust.

CATHY DE MONCHAUXs Arbeiten leben von einer haptisch-kontrastiven Materialästhetik. Für Rohkunstbau zeigt sie skulpturale Installationen, die auf den ersten Blick zart, fragil und verträumt wirken. Erst beim näheren Hinsehen entdeckt der Betrachter, dass es sich um ornamental aufgebaute kämpferische Szenen oder überdimensionale, vernarbte Wunden handelt, die die Künstlerin so ästhetisch zu präsentieren weiß, dass das Gewaltsame hinter dem Spielerischen zurücktritt.

NIKLAS GOLDBACH zeigt eine Videoarbeit, die er für Rohkunstbau in der Suite eines Berliner Luxushotels gedreht hat. Inspiriert von Atlantis setzt er sich in seiner Arbeit mit Utopien auseinander, die in einem fiktionalen Raum das Bedrohliche hervorheben und zeigt eine beängstigend schöne und zugleich kalte Welt, die sowohl politisch als auch sozial kontrolliert zu sein scheint.

Nebenan lässt STEFAN ROLOFF eine Raum-im-Raum-Installation entstehen, eine Kathedrale, die sich nach oben hin öffnet. Im Inneren wird ihr gotisches Fensterglas durch simultan abgespielte Video- und Soundinstallationen belebt. Verschiedene Personen aus allen Kontinenten erzählen in Interviews in ihrer eigenen Sprache von ihren Zukunftsvisionen und -phantasien und nehmen damit Bezug auf das Thema Atlantis.

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XVII. Rohkunstbau
ATLANTIS II - Hidden Histories – Imagined Identities
Künstlerischer Leiter: Arvid Boellert
Kurator: Mark Gisbourne

Künstler: Wafae Ahalouch El Keriasti, Mat Collishaw, Sean Dawson, Ori Gersht, Cathy de Monchaux, Stefan Roloff, Wilhelm Sasnal, Elisa Sighicelli, Johanna Smiatek

Ort: Schloss Marquardt / Potsdam