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Die Kunsthalle Basel freut sich, die erste umfassende Einzelausstellung mit dem Titel Ending with Glass der israelischen Kunstlerin Yael Davids (geboren in Jerusalem 1968) in der Schweiz anzukündigen. Davids beschäftigt sich vorwiegend mit dem Medium der Performance und dessen Dokumentationsmöglichkeiten. Einer adäquaten Wiedergabe vergangener Aufführungen nähert sie sich oft durch Repetition: „Ich wiederhole meine vorherige Performance. Sie ist nun eine Partitur und ich folge Schritt für Schritt meinen eigenen Fußspuren und spüre die Momente und Dinge auf, die nicht benannt wurden. Ich bin der Hintergrund. Ich bin die Bühne. Ich bin die Geschichte. Ich bin eine Wiederholung. Ich bin eine Wiederholung.“ (Aus dem Skript zu Learning to Imitate in Absentia II, 2011)

Davids Ausstellung ist das Ergebnis ihres Bedürfnisses, eine Form zu finden für Fakten, Gedanken und Gefühlen, die sich nur schwer als visuelle und physische Präsenz vermitteln lassen: die Erinnerung an historische Ereignisse, persönliche Biografien, die über Generationen in die konfliktgeladene politische Geschichte einer Nation im Zustand des Werdens eingeschrieben sind, und die Erfahrung der Trauer um einen geliebten Menschen.

In ihrer Arbeit versucht Yael Davids, ihre eigene existentielle Erfahrung und die Erinnerungen an ephemere, flüchtige Anwesenheiten in eine klar umrissene Form zu verwandeln, in diejenige Form, die als Kunstwerk verstanden werden kann und die daher als eine Stimme in der öffentlichen Diskussion auftreten kann, statt lediglich eine intime und persönliche Erzählung zu verbleiben. Dieser Versuch, dem nicht mehr Existenten eine Form zu verleihen, muss auch die Konfrontation mit Abwesenheit und der eigenen Sprachlosigkeit beinhalten. Bereits in den Titeln der Arbeiten wird Abwesenheit daher stark betont, wie etwa bei End on Mouth in Absentia, eine Reihe von Arbeiten, die sich auf die 2004 bei Platform Garanti in Istanbul aufgeführte Performance von Davids beziehen. An dieser Performance waren sechs Schauspieler und Musiker beteiligt, die sich innerhalb von zwei großen, flachen Holzboxen aufhielten und für das Publikum unsichtbar waren. Einundzwanzig Assistenten hoben und drehten diese Boxen von außen gemäß dem Skript, das die Akteure von innen vortrugen, während die ebenfalls unsichtbaren Musiker auf ihren Instrumenten von der Partitur spielten. In dieser Arbeit werden zwei verschiedene Formen der Anwesenheit gegenübergestellt: Die Teilnehmer, die die Boxen bewegen, sind sichtbar, ihre Tätigkeit ist daher in gewissem Sinne die einzig erkennbare performative Handlung, doch die eigentliche Performance aus Musik und gesprochenem Wort findet im Inneren der Boxen statt, wovon das Publikum im wörtlichen Sinne, physisch ausgeschlossen ist. Einer der Akteure in der Performance führt den bekannten Mythos von Orpheus und Eurydike an: „Wenn du deine Stimme gewinnst, wirst du dein Sehvermögen verlieren. Orpheus’ Stimme hat die Kraft, Eurydike wieder zum Leben zu erwecken, doch sobald er sich nach ihr umsieht, ist sie zum Sterben verdammt.“ Der Widerspruch zwischen Sichtbarkeit und Bedeutung wird am Ende der Performance auf den Punkt gebracht, wenn dieselbe Figur aus dem Inneren der Box spricht: „Wenn keine Wand vor mir ist, kann ich nicht sehen. Wenn keine Hand vor meinem Mund ist, kann ich nicht sprechen.“

Im zweiten Saal zeigt Davids unter anderem eine Skulptur aus dünnem Fensterglas, in das verschiedene geometrische Schnitte gesetzt sind, die der Lage der in ihrer Performance Learning to Imitate in Absentia I von 2011 verwendeten Requisiten entsprechen. Die Glasarbeit wurde in der Glasfabrik Oran Safety Glass produziert, die 1979 im Kibbuz Tzuba (Israel) gegründet wurde, in dem die Künstlerin geboren wurde und aufwuchs. Anfangs produzierte die Fabrik Fensterglas, doch während sich der palästinensisch-israelische Konflikt im Verlauf der beiden Intifadas verschärfte, wuchs allmählich der Bedarf nach dickerem und stärkerem, kugelsicherem Glas, das auch Maschinengewehrfeuer und bald sogar RPB-Raketen und Bazookas standhalten konnte. Suba war ein palästinensisch-arabisches Dorf westlich von Jerusalem, das 1948 geräumt und zerstört wurde. Das Dorf lag auf der Spitze eines kegelförmigen Hügels namens Tel Tzova, wo es auf den Ruinen einer Kreuzfahrerfestung errichtet worden war. In den beiden letzten Sälen werden zwei Scheiben des stoßsicheren Sicherheitsglases aus der Fabrik als Bestandteile der Installationen verwendet.

Die Isolierung des darstellenden Körpers und die Spannung zwischen Einschließung und Aufführung wird in der Videoarbeit The Hand is Quicker Than the Eye aus dem Jahr 2008 noch weiter durchgespielt. Das Video wurde in einem abgeschlossenen Innenraum aufgenommen, seine Darsteller sind Insassen einer unidentifizierten Strafanstalt. Der auf die Hände der Insassen gerichtete Blick der Kamera und die häufigen Close-ups von Details verstärken das Gefühl der Isolation und der Einschließung, die auch ein Ergebnis der rechtlichen Auflage bei der Produktion dieser Arbeit waren, die Identität der Gefangenen nicht preiszugeben, weshalb die Gesichter nicht gezeigt und die gemachten Aussagen keinen bestimmten Personen zugeschrieben werden durften. Statt die Person zu zeigen, konzentriert Davids sich daher auf die Vervollkommnung einer abstrakten Fähigkeit: Die Insassen lernen einfache Zauberkunststücke mit Hilfsmitteln wie Bällen, Seilen oder Karten. Davids nimmt diese Mikro-Ereignisse der Hände und Objekte auf und präsentiert sie als Zeugnis für die persönliche Freiheit, die im Geist erschaffen werden kann – in den Worten eines der Gefangenen: „Meinen Körper können sie einsperren, aber meine Seele ist frei, frei wie ein Vogel in der Luft.“

Ein weiteres nachhaltiges Interesse Davids’ richtet sich auf die Notation von Performances und die Möglichkeit, ein Ereignis dadurch zu repräsentieren, dass die verbleibenden Objekte ausgestellt werden, die die Fähigkeit haben, eine erfolgte Handlung zu evozieren. Nicht alle Gegenstände in der Ausstellung sind Requisiten, die von Performances übrig geblieben sind, in denen sie tatsächlich verwendet wurden, alle können jedoch als Erweiterung des Begriffs der Performance gelesen werden. Und so kann ein Ensemble von Objekten – etwa ein Flipchart, Geräuschdämmplatten, ein Monitor und Holzstühle – in den letzten beiden Räumen als Requisiten für die Performance Learning to Imitate in Absentia II (2011) zum Leben erweckt werden, während sie gleichzeitig aber auch eine von der Performance unabhängige Installation bleiben.

In Learning to Imitate in Absentia II, eine für die Kunsthalle Basel neu entwickelte Performance, greift Davids auf die Choreographie von Learning to Imitate (2007-2010) zurück und die verschiedenen Positionen, die sie dabei einnahm: Einer spezifischen Grammatik folgend bewegt sich Davids erneut von der Vertikalen, stehend, über die Diagonale, an einem Seil hängend, bis in die Horizontale, am Boden liegend, während sie einen selbst verfassten Text vorträgt. Mit diesem Bewegungsablauf nimmt Davids die Ausrichtung der Werke in den Räumen auf: Die Ausstellung beginnt mit stehenden, grossformatigen Holzkisten hin zu Gläser und akustische Platten, die an der Wand lehnen bis zu liegenden Objekten im letzten Raum. Die Performance fungiert somit auf formaler Ebene als Index für das gesamte Ausstellungskonzept.

Die komplexeste Installation umfasst historische Kunstwerke aus zwei verschiedenen kulturellen Zusammenhängen: Ferdinand Hodlers Gemälde Thunersee mit Grundspiegelung aus dem Jahr 1904 sowie japanische und koreanische Teeschalen, die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert hergestellt wurden und Beispiele der sogenannten „reparierten Keramik“ sind, wo abgeplatzte Teile mit Metallfüllungen oder Porzellan wieder angefügt wurden, womit das reparierte Objekt wertvoller wurde, als es das unversehrte war. Statt sich durch den auratischen und künstlerischen Wert der Objekte verführen zu lassen, verwendete Davids sie als funktionale Elemente und betrachtete ihre Bedeutung und Struktur. Hodlers Gemälde stellt die extreme Vorstellung von Horizontalität dar, und die Landschaften des Künstlers wurden oft als symbolische und strukturelle Repräsentationen von Körperlichkeit interpretiert. Horizontalität kommt auch durch andere Elemente der Installation in diesem Raum zum Ausdruck, wie etwa die Glasscheiben und die mit Lehm bedeckten Holzbretter, die flach auf den Boden gelegt wurden und somit Passivität, Tatenlosigkeit, ein Moment des Stillstands und des Todes suggerieren, im Gegensatz zu der Folge von vertikalen, aktiven und nutzbaren Objekt-Requisiten im vorigen Saal