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Zhang Dali – Worlds Shadow
22.02.2015 – 19.04.2015

Zhang Dali (Jahrgang 1963) gilt als Pionier des chinesischen Graffitis. Zhang Dali reiste nach seinem Studium an der Central Academy of Fine Arts in Peking zunächst nach Italien, wo er die Streetart-Szene und Graffiti kennenlernte. 1995 kehrte er nach Peking zurück und hinterließ bis 1998 unter den Pseudonymen „AK-47“ und „18K“ überdimensionale „Glatzköpfe“ im Seitenprofil auf nutzlos gewordene, mit dem amtlichen „Chai“-Zeichen versehene Gebäude. Die „Glatzköpfe“ sind in simpler naiver Kontur festgehalten und sollen dadurch zu einem Dialog über die rasant fortschreitende und erzwungene Modernisierung Pekings auffordern. Mit dem Zeichen „AK-47“, das die Abkürzung für ein sowjetisches Gewehr ist, verweist Zhang Dali auf die vorherrschende Gewalt von seiten der Diktatur, und mit „18K“ (18 Karat) auf den neuen Wohlstand.
Neben Keith Haring und Jackson Pollock wurde Zhang Dali als erster Künstler auf dem Cover des Time Magazine abgebildet.

Erst 1998 kam die chinesische Polizei Zhang Dali auf die Spur und erkundigte sich bei ihm nach der Motivation seiner Aktionen. Sanktionen blieben aus. Daraufhin entwickelte Zhang Dali seine künstlerische Serie der „Demolition“. Bei diesen Arbeiten schlägt er die Innenfläche der Graffiti-Kontur heraus, sodass der Blick freigegeben wird auf das, was dahinter liegt. Beispielsweise erscheint in Demolition, Forbidden City, Beijing (1998) die Dachformation der Verbotenen Stadt. Während also die Wohnquartiere des alten Peking dem Fortschritt weichen müssen, erstrahlt der ehemalige Kaiserpalast in ewigem Glanz. In seinen Installationen und Fotografien dokumentiert Zhang Dali die erzwungene Modernisierung Pekings und verweist auf das zu gierige wirtschaftliche Wachstum auf Kosten der traditionellen Kultur. Zhang Dali arbeitet von Anfang an gesellschaftskritisch. Sein künstlerischer Protest ist im Gegensatz zu Ai Weiwei nicht laut, eher still, aber umso bissiger. In seiner Serie und Installation „Chinese Offspring“ 2003-2005 ließ er über 100 chinesische Wanderarbeiter lebensgroß in Harz und Fiberglas gießen und mit einem Tatoo versehen. Diese Körper lässt der Künstler kopfüber hängend installieren, um die Hilfs- und Machtlosigkeit der Arbeiter gegenüber ihrer Ausbeutung auszudrücken.

Der Kunstverein zeigt 13 sehr großformatige Werke aus der Serie „Worlds Shadow“. Zhang Dali hat 2009 für sich das Cyanotype-Druckverfahren wieder entdeckt, das in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von dem Naturwissenschaftler John Herschel entwickelt wurde. Papier und Leinwände werden in Ammoniumeisenlösungen gebadet und getrocknet, wodurch die Beschichtung lichtempfindlich wird. Danach erfolgt die Belichtung eines vor die Leinwand gehaltenen Fotogramms oder Negativs durch Sonneneinstrahlung, wodurch sich die Farbstoff Berliner Blau bildet und die Negativformen und die Schatten sich herausbilden.

Die Schattenbilder sind keine bloßen Kopien von Menschen und Objekten. Schatten drücken vielmehr eine Idee von „Anti-Materie“ aus, die innerhalb der Vergänglichkeit von Raum und Zeit das Bleibende ausdrückt und den physikalischen Grenzbereich auslotet. Indem Zhang Dali immer wieder gegen die rasante und zerstörerische Modernisierung Pekings vorgeht, wählte er für seine Schatten Motive aus, die seiner Meinung nach es wert sind, die Zeit zu überdauern, wie zum Beispiel die Pagoden, die Freiheit der Tauben, Bambus, Gräser oder Familien. Mithilfe des Cyanotype-Verfahrens sind diese Motive der Vergänglichkeit enthoben.

Dr. Andrea Wolter-Abele