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Wo Sibirien liegt, dass wissen wir durchaus, insbesondere wissen dies die Menschen in Polen. Was aber ist „Cyber-ien“? Dessen sind wir uns doch eigentlich nicht richtig bewusst. Ist das eine „Hyperrealität“? Zwischen den beiden Worten besteht in vielen Sprachen kein Unterschied im Klang, und doch trennt sie in ihrer Bedeutung einiges. Zofia Kulik führt jedoch gewisse Ähnlichkeiten dieser unterschiedlichen Begriffe vor.

„From Siberia to Cyberia, so der Titel einer Ausstellung der polnischen Künstlerin Zofia Kulik in der Zacheta Galerie in Warschau. Die einzeln ausgestellte Arbeit ist ein riesiges Tableaux (21 Meter Länge, 2,40 Meter Höhe), welches sich aus tausend kleinen Fotographien zusammensetzt. Auf den einzelnen kleinen Bildern sind Aufnahmen zu sehen, die dem Fernsehen entnommen sind. Die Künstlerin begann 1978 in großen Formaten, fotografische Tableauxs anzufertigen. Dabei beschäftigt sie sich mit allgemeinen Mechanismen von Disziplin und Überwachung, die die Macht (nicht als Institution sondern vielmehr als System) mit Hilfe von Sprache und Bildern in Gang setzt. Die große Anzahl der Bilder (es müssen um die 17000 kleine Fotografien sein) spielt hier eine wesentliche Rolle. Sie zeigt die große Überflutung bzw. den Angriff der visuellen Kultur auf das Individuum. Ebenso groß ist auch die Vielfältigkeit der Themen. Ein Ausschnitt aus einer BBC Reportage über den Tanz in der Welt neben einer Erinnerung an die Werbung im sozialistischen Polen. Marilyn Monroe neben marschierenden Soldaten. Girlies aus einem amerikanischen Musical neben Kindern, die hungern. Porträts von Lenin, Stalin als auch Hitler werden beispielsweise mit Gesichtern von Edith Piaf oder anonymen Tänzern direkt konfrontiert. Die Form der Darstellung ist immer dieselbe. Schwarz-Weiß präsentiert die Künstlerin die ganze Fotoserie, um zu demonstrieren, dass all die verschiedenen Bilder sich in ihrer Darstellungsform nicht unterscheiden. Die einzelnen kleinen Bilder, die aus der Entfernung wie ein großer Orientteppich wirken, zerstreuen sich in nicht zusammenhängender Ordnung, ähnlich dem Fernsehen. Dabei geht es der Künstlerin nicht darum, uns etwas zu präsentieren, was wir schon längst wissen, nämlich dass es auf unserer Welt eine Menge an Gewalt gibt. Die Aussage besteht darin, dass wir uns hervorragend vor dieser Welt schützen können. Wir können uns wunderbar hinter all den Bildern von Kriegen, Gewalt usw. verstecken. Dabei ist die Arbeit der Künstlerin nicht gerade heldenhaft. Sie fährt nicht an die Front oder führt gar einen Konvoi mit Hilfsgütern an, sondern sitzt lieber vor dem Fernseher und schaut zu, wie die meisten. Wir wechseln mit unserer Fernbedienung die Sender manchmal ununterbrochen, und die Masse, die uns präsentiert wird, zeigt bei uns keine Wirkung. Es ist etwas „Abstraktes“, wie die Künstlerin behauptet. Wir nehmen lediglich ihre „Form“ wahr, leidenschatftslos, monoton in ihrer Visualität. Es ist ein doppelter Schwindel, den wir erfahren. Auf der einen Seite hat das Fernsehbild den Bezug zur Realität verloren, so dass die letzten Aufnahmen des Irak-Krieges mit einem Computerspiel verglichen werden konnten, andererseits hat die Masse an Informationen in verschiedenen Formen der Vermittlung den Inhalt fast vollständig neutralisiert. Der Zuschauer ist zum Opfer geworden, der aus einem riesigen Repertoire auswählen kann. Der Titel „From Siberia to Cyberia“ suggeriert jedoch noch etwas anderes unserer Zeit, und das insbesondere in Polen. Es kommt uns auf den ersten Blick vor, als ob vieles die beiden Sphären Siberia/Cyberia trennen würde, gerade für den Betrachter aus der westlichen Welt erscheint hier ein riesiger Unterschied zwischen diesen beiden Wörtern, aber auch für den Menschen in Sibirien ist das Wort „Cyber“ (also Hyperrealität) wahrscheinlich kein Wort des alltäglichen Gebrauchs. Zofia Kulik selbst befindet sich zwischen diesen zwei Welten. Die Künstlerin hat nach eigener Aussage weder das eine noch das andere erfahren. Sie bedient sich weder häufig des Internets, noch war sie jemals mit politischen als auch sozialen Situationen in Sibirien direkt konfrontiert. Dieses Wort „dazwischen“ scheint hier der Schlüssel zu dem ganzen Rätsel zu sein. Leben die Polen nicht in einer Welt dazwischen, und waren sie nicht durchaus im Laufe ihrer Geschichte schon des Öfteren freiwillig als auch unfreiwillig mit dem Westen oder Osten verbunden. „From Siberia to Cyberia“ bedeutet also zwischen, der westlichen und östlichen Welt, zwischen der Vergangenheit Sibirien und der Zukunft der Cyberreality. So reagieren Künstler unterschiedlich auf ihnen aufgezwungene politische Ideen. In unterschiedlicher Weise bauen sie eine eigene Identifikation in einer politischen, ökonomischen und psychischen Situation auf. Die Arbeit wird noch bis zum 28.03.2004. in der Zacheta Galerie in Warschau gezeigt werden bis sie nach Krakau wandert, dort kann man sie ab April im Kunst- Bunker (Bunker Sztuki) sehen. Berenika Partum

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Zofia Kulik - From Siberia to Cyberia