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Die Neukonzeption der Ausstellungsflächen der Akademie im ersten Stock umfasst im Anschluss an die Gemäldegalerie und das neue Foyer auch einen weitläufigen neuen Galerieraum für zeitgenössische Kunst und Präsentationen des Kupferstichkabinetts: xhibit.

Anläßlich der zeitgleichen Eröffnung von xhibit mit der Gemäldegalerie hat der Grazer Kurator Søren Grammel den schwedischen Künstler Matts Leiderstam und die vier Studierenden Alan Cicmak, Eric Kläring, Lisa Lampl und Lisa Rastl zur Erarbeitung des Ausstellungsprojektes Attitude and Canon eingeladen.

Das Projekt basiert sowohl auf einer theoretischen Annäherung an den Bestand der Sammlung als auch auf einer gemeinsam geführten Debatte über Präsentation und Musealisierung von Kunst allgemein. Die aus diesem Prozess resultierenden Fragen und Fallstudien bilden den Ausgangspunkt für die in der Ausstellung gezeigten Installationen, Videofilme, Dokumente und Fotos der involvierten Student_innen und Leiderstams. Alle Arbeiten sind in Auseinandersetzung mit dem spezifischen Rahmen der Gemäldegalerie und unter Berücksichtigung der Sammlung des Kupferstichkabinetts entstanden.

Attitude and Canon basiert auf der Verknüpfung von Lehre und Kunstproduktion und erprobt so auch die besonderen Arbeitsmöglichkeiten, die Akademie-eigene Sammlungen bieten, und liefert damit ein Modell für die zukünftige Verbindung der Gemäldegalerie mit der zeitgenössischen Kunstpraxis. Ziel dieser gleichsam in den Rahmen der Gemäldegalerie implementierten zeitgenössischen Ausstellungssituation ist es, aktualisierende Vektoren auf die benachbarte Sammlung und die Art ihrer Präsentation herzustellen. Dabei werden der Ort und die Praxis des Sammelns genau so thematisiert, wie die Choreografie ihrer Präsentation und die Grammatik kunsthistorischer Entscheidungsfindungen.

Wie der Titel signalisiert, richtet sich der Fokus des Projektes auf die Analyse verschiedener ästhetischer und vermittlerischer Konstruktionsmittel kanonischer Ordnungen im Bereich der Kunst. Dabei geht es sowohl um eine Kritik kunstbetrieblicher Verfahrensweisen als auch um die Schaffung eigener, neuer und paralleler Bewegungen der Annäherung und inhaltlichen Aneignung.

Die räumliche Transformation der Gemäldegalerie bildet den Ausgangspunkt für einen von den Studierenden Alan Cicmak, Eric Kläring, Lisa Lampl und Lisa Rastl gemeinsam erstellten Videofilm. In langen Sequenzen, in konstant fließender Bewegung werden die Räume im Zustand des Umbaus gezeigt. Die Kamera zieht an Materialien und Gegenständen vorbei.

Die im Film dokumentierten Oberflächen konzentrieren in sich das Moment der Überlagerung zweier baulicher Zustände. Auf subtile Weise, fast archäologisch, führt der Film diese Folien institutioneller Präsentation im Moment ihrer Überschneidung und vergänglichen Schönheit vor.

Lisa Rastls (*1974, studiert Bildende Kunst bei Heimo Zobernig) Arbeiten bedienen sich häufig der Strategien der Institutional Critique, die sie aber individuell weiterentwickelt und ihren Interessen und Fragen anpasst. So setzt sie sich innerhalb des Projektes anhand von Studienvorlagen der historischen Fotosammlung des Kupferstichkabinetts und Gipsabgüssen der Glyptothek mit dem Verhältnis Skulptur und Fotografie auseinander. Die zweite präsentierte Arbeit After Documenta basiert auf Fotomaterial, das Rastl direkt nach dem Abbau der auf der Documenta 12 gezeigten Kunstwerke, aber noch vor der Entfernung der Ausstellungsarchitektur aufgenommen hat. Durch die auf sich selbst reduzierte Darstellung der Ausstellungsinszenierung führen Rastls Fotografien das interpretative Begehren des Konnotationssystems Ausstellung vor, das insbesondere auch in Zusammenhang mit der Documenta 12 erneut öffentlich kritisch diskutiert wurde.

Matts Leiderstam (*1956) hat in seinen Installationen wiederholt neue Perspektiven auf historische Bildmotive und -kompositionen entwickelt. Mit der für ihn spezifischen Art, Visualität transdisziplinär als Instrument künstlerischer aber auch historischer und sozialer Forschung einzusetzen, kreiert er eine bislang einzigartige Position zwischen kunstproduzierender und -vermittelnder Praxis. In Attitude and Canon bezieht er sich mit zwei Installationen direkt auf Werke der in der Gemäldegalerie präsentierten Sammlung Anton Graf Lamberg-Sprinzensteins (1740-1822). In Attitude and Canon bezieht er sich mit zwei Installationen direkt auf Werke der in der Gemäldegalerie präsentierten Sammlung Anton Graf Lamberg-Sprinzensteins (1740-1822).

In der Rauminstallation Einst gesehen thematisiert er das Selbstverständnis des Grafen als Sammler und Kunstliebhaber. Dabei konfrontiert Leiderstam ein historisches Portrait Lambergs (Martin Ferdinand Quadal, 1784) mit zwei von diesem selbst kommissionierten Ansichten des Ausbruchs des im Golf von Neapel gelegenen Vesuvs (Michael Wutky, 1790er). Leiderstam setzt das Bildthema des Vulkanausbruchs ein, um sich verdeckten persönlichen Konstellationen und Motiven des Sammlers anzunähern. Essayistisch verknüpft Leiderstam seine Spekulationen zu Lamberg mit Überlegungen zur Entstehung und Lancierung bestimmter Ikonologien und deren künstlerischen Auffassungen.

Den Ausgangspunkt der zweiten Arbeit Leiderstams bildet die Malerei Ansicht von Dordrecht (Jan van Goyen, 1648), die sich in der Sammlung der Akademie befindet. In einem animierten Video hat Leiderstam zahlreiche weitere Interpretationen dieses insbesondere im 17. Jahrhundert bei Künstlern häufig verwendeten Sujets in fließenden Übergängen so hintereinander geschnitten, dass sowohl das schematische, fast serielle Kompositionsmuster des Motivs, als auch die diskursiven Feinheiten seiner zahlreichen Variationen lesbar werden.

Erik Klaering (*1978, studiert Bildende Kunst bei Heimo Zobernig) hat eine Reihe von Arbeiten entwickelt, die im Ausstellungsraum den Zusammenhang zwischen der Architektur und ihren ausstellerischen und vermittlerischen Implikationen ins Bewusstsein rücken. Die für Attitude and Canon realisierten Arbeiten Klaerings schaffen oder betonen Orte durch verschiedene visuelle Eingriffe und Markierungen. Sie lenken die Aufmerksamkeit der Besucher_innen auf die Beschaffenheit der Ausstellungsräume und die Entscheidungen, die ihrer Ordnung zugrunde liegen. Klärings subtile Gesten und Interventionen eröffnen einen Zugang, der die gegebene Situation des Ausstellungsraums nicht einfach als gegebene Normalität ausblendet, sondern als eine von verschiedenen möglichen Konstruktionen hervorhebt.

Die für Attitude and Canon entstandene Videoinstallation Denote von Alan Cicmak (*1976, studiert Bildende Kunst bei Constanze Ruhm) baut darauf, Konzepte des Bildraums und kompositorischer Strukturen traditioneller Landschaftsmalerei anhand filmischer Methoden und Techniken neu zu artikulieren. Ausgangspunkt der Arbeit ist die Überlagerung dreier an Claude Lorrain orientierter Landschaftsmalereien des Gemäldegaleriebestandes in einer Montage. Zentrales Element der Arbeit ist dabei eine Skulptur, die vordergründig als Träger der Projektion entwickelt wird, im Wesentlichen jedoch den Blick des Betrachters auf die filmische Erzählung festlegt.

Die gegebene Form der Skulptur basiert auf dem Bildkonzept des Gemäldes Ein Goldsschmied in drei Ansichten (1525/35) von Lorenzo Lotto. Der entscheidende Gedanke des Bildes sowie der Skulptur ist das räumliche Auffalten desselben Sujets in verschiedene, zeitgleiche Ansichten.

Für ihren Beitrag zu Attitude and Canon hat Lisa Lampl (*1982, studiert Kunst und Kommunikation/BE bei Marion von Osten) eine Reihe von Interviews mit verschiedenen Kurator/-innen und Kunsthistoriker/-innen geführt, um von Ihnen mehr über die Motive und Hintergründe musealer und ausstellungsmacherischer Entscheidungsfindungen zu erfahren. Es entstehen fragmentarische Einsichten in den kunstbetrieblichen Arbeitsalltag und die Eigenschaften und Grenzen institutioneller Verfahren. Lampl bleibt aber nicht bei einer rein dokumentarischen Ebene stehen, sondern sie hat die verschiedenen Interviews zu einer Art von fiktivem Dialog mehrerer beteiligter Personen montiert, den sie mit verschiedenen Sprecher_innen zu einem Hörspiel weiterverarbeitet hat und fokussiert so die Sprechweisen selbst - den Gebrauch der Sprache für die Definition und Positionierung der eigenen Arbeit in Bezug auf ihren institutionellen Rahmen und dessen Legitimationsdruck. (Søren Grammel, Kurator)

Matts Leiderstam (*1956 Gothenburg, S) ist bildender Künstler, lebt und arbeitet in Stockholm. Leiderstams Interesse gilt den verdrängten Aspekten historischer Bildwerke, die er aus ihrem normativen Sammlungs- oder Archivkontext herauslöst und aus heutiger Sicht neu befragt. Aus diesen Recherchen und ortspezifischen Annäherungen entstehen Werkkomplexe, die oft über Jahre hinweg ergänzt werden und sich Themen wie den Bildungsreisen der "Grand Tour" oder der Grammatik des Blicks auf die Kunst widmen. Einzelausstellungen weltweit u.a.: Kunsthalle Düsseldorf und Malmö Konstmuseum 2010, Salon Museum of Contemporary Art, Belgrade 2008, Badischer Kunstverein, Karlsruhe 2007, Moderna Optica-Centre for Contemporary Art, Montréal 1998, White Columns, NY 1996.

Søren Grammel (*1971 Burgwedel, D) ist seit 2005 Leiter des Grazer Kunstvereins und hat als Kurator zahlreiche Ausstellungen für Räume der Gegenwartskunst kuratiert, darunter am Kunstverein München, am Rooseum in Malmö oder am Frankfurter Kunstverein. Grammel unterrichtete u.a. an der Kunsthochschule Kassel ("Kuratorisches Handeln") und an der Art Academy Umea. Von 2009 bis 2010 arbeitete er als Curator-in-Residence an der Akademie der bildenden Künste Wien. Publikationen u.a.: Ausstellungsautorschaft, Frankfurt am Main 2005, Der symbolische Auftraggeber, Revolver Publishing Berlin, Oktober 2010

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Attitude and Canon
Kurator: Sören Grammel

Künstler: Matts Leiderstam & Alan Cicmak, Eric Kläring, Lisa Lampl, Lisa Rastl