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Die Ausstellung von Doris Krüger und Walter Pardeller im Innsbrucker Kunstpavillon erzeugt den Gesamteindruck einer klaren, ruhigen und übersichtlichen Präsentation verschiedener Objekte im Raum. Man scheint hier keine vordergründig komplexe, diffizil zu entschlüsselnde oder medial aufgeladene Vernetzung von unterschiedlichen künstlerischen Fragestellungen und außerkünstlerischen Referenzsystemen anzutreffen. Der Installationscharakter der Ausstellung rückt zunächst eher in den Hintergrund und der Eindruck einer einfachen Einzelpräsentation von verschiedenen Objekten im Raum lässt an bekannte museale Kunstpräsentationen denken. Je länger man sich den Werken aussetzt, scheint aber dieser Eindruck zu kippen. Das Einzelobjekt lädt dazu ein, es unter konstruktiven (Design) oder ästhetischen (Skulptur) Gesichtspunkten wahrzunehmen. Mit dem Titel der Ausstellung "Die Oszillation der Seltsamkeit" rücken die Künstler gerade jenes Moment der Entscheidung, wie man sich einem Objekt nähert, in den Mittelpunkt ihrer künstlerischen Arbeit. Seltsamkeit entsteht ihrer Meinung nach durch die Wechselwirkung dieser zwei konkurrierenden Gesichtspunkte und der damit verbundenen Auswirkung auf die Raumwirkung.

Damit gehen auch unterschiedliche Interpretationen des Ausstellungsraumes als Ort der Auseinandersetzung einher. Als Designpräsentation erhält der Raum eine untergeordnete Rolle. Er würde nur als neutrale Präsentationsfläche dienen und die Bedeutung der Objekte nicht tangieren. Anders bei der Auseinandersetzung mit dem Raum als Kunstraum, dessen Einfluss auf die Rezeption der Werke in dem konkreten Fall bewusst kalkuliert ist. Mit der Modellvitrine als nutzbarem Tisch im vorderen Bereich fallen Designobjekt und Kunstobjekt zur Gänze zusammen und provozieren jenen Quantensprung in der Wahrnehmung der Ausstellungsobjekte als raumgreifende Kunstwerke, die ich im Folgenden kurz umreißen will. Genau im Objekt der Modellvitrine verdichten sich die Einzelobjekte zu einem gesamten Raumprogramm. Das "Oszillieren" von Zugangsweisen zu einem Objekt wirkt sich dann auch auf die konkrete Raumwahrnehmung im Ausstellungsraum aus. Hier bewirken die Arbeiten eine seltsame Transformation des konkreten Raumes und der ebenso konkreten Objekte hin zu einer abstrakten Vorstellung eines Raumes. Der konkrete Raum wird somit zum Begriff der Vorstellung eines Raumes. Seltsamkeit entsteht also demnach als situatives Moment aus dem ständigen Wechselspiel zwischen dem Konkret-Bekannten und Abstrakt-Befremdlichen im einzelnen Betrachter.

Ein heller, weißer Raum, in dem sorgfältig mit temperiertem Abstand fünf formal reduzierte Objekte installiert sind, evoziert ein Gefühl von Kühle und konzeptioneller Strenge. Es fehlen jegliche Referenzen zu realen d.h. aus dem Ausstellungsraum hinausweisenden Situationen, Informationen oder einer wie immer gearteten Narration. Eine treppenartige Konstruktion aus Aluminium und Betonschalplatten, die um eine Achse drehbar ist, ermöglicht dank der einklappbaren Füße verschiedene Aufstellungsvarianten. Das Objekt ist nach dem Fächersystem konstruiert, seine einzelnen Elemente sind mit einer Fußkonstruktion ausgestattet. Die Arbeit besticht durch ihre exakte konstruktive Strenge, sie manifestiert formal den Raum des Objekts durch die Kreissegmentbildung. Form, Material, Konstruktion und konkrete Funktion rücken die Arbeit konzeptionell in den Status eines Designobjekts, denn im vorliegenden Fall innerhalb der Ausstellung übernimmt das Objekt tatsächlich die "nützliche" Funktion einer Sitzgelegenheit, behauptet in seiner Raumwirkung aber auch seinen Status als autonome Skulptur.

Dieses Wechselspiel in der Annäherung an die Objekte auf den verschiedenen Ebenen der ästhetischen Wahrnehmung als Skulptur sowie der formal-konstruktiven Ebene der Rezeption als Designobjekt, findet auch in dem Objekt der horizontalen Lamellenkonstruktion statt. Technisch präzise sind schwarze Lamellen an einer vertikalen Achse aufgefädelt. Die Stellung der Lamellen ist veränderbar und definiert je nach Konfiguration unterschiedliche Raumgefüge. Ohne jegliche Funktion evoziert das Objekt unweigerlich die Form einer Tür. Als solche tritt jedoch die konstruktive, gestalterische Umsetzung in den Vordergrund, welche sich als unbrauchbar erweist (Allein das Fehlen der Türklinke macht dies offensichtlich). Ästhetisch treten die Faktoren der Bewegung und der unterschiedlichen Raumkonfigurationen hervor. Sobald man die Nutzlosigkeit im Umgang mit dem Objekt entdeckt, werden die technische Raffinesse und die Perfektion der Ausführung als ästhetisches Moment wirksam.

Die weiße Konsole aus lackierten MDF-Platten ist auf die maximal abstrahierte Form des Kreises beschränkt. Die Künstler haben die Form von runden Bänken in Parks abgeleitet und versucht, dafür eine möglichst reduzierte Methode der Konstruktion zu schaffen. Hintergrund war auch die Reflexion über die Existenz einer 'sozialen Kompetenz' des Objekts, die in ihren Augen in den runden Parkbänken nicht gegeben ist, da man zu dem Gegenüber leicht abgewandt zum Sitzen kommt. Dieses formal reduzierte Objekt im Raum ist das Gegenteil der komplexen, immer neue Perspektiven eröffnenden treppenartigen Konstruktion, da es von allen Seiten, selbst aus der Bewegung des Betrachters heraus, stets den gleichen Blick eröffnet. Das Rätselhafte scheint zur Gänze eliminiert. Was bleibt ist das Moment des architektonischen Elements im Ausstellungsraum, dessen Idee einer Nutzung als Bank noch am ehesten als reale Sitzgelegenheit rückzuführen wäre. Die Kategorien Design und Skulptur rücken in diesem Objekt sehr nahe zusammen.

Die große eckförmige Wand aus Paneelen besetzt am Ende des Raumes einen Teil des Pavillons und ist von hinten beleuchtet. Die Wand als architektonisch integriertes Raumelement suggeriert durch die Rhythmik der Veränderungen des Lichts einen zeitlichen Ablauf, eine Bewegung. Die einzelnen Paneele bestehen aus mit Folie bespannten Rahmen, deren Montage serielle Muster entstehen lässt. Die Gestaltung wird auch hier maßgeblich durch die Anordnung der Rahmen zueinander bestimmt. Als Skulptur eliminiert die Wand einen Teil der Ausstellungsfläche und leistet somit den größten Beitrag die Gesamtinstallation als räumliche Intervention zu begreifen. Formal-konstruktiv reduzieren die Künstler in dieser Arbeit die architektonische Struktur auf ein Minimum von zwei über Eck miteinander verbundenen Wänden. Erneut übernimmt das Objekt keine reale Funktion im Raum und wird daher in den Stand des Skulpturalen erhoben. Ästhetisch wird es zur Idee von Architektur im Allgemeinen, aufgeladen mit einem Lichtspiel, das wiederum an nächtliches, städtisches Leben denken lässt: ein Topos der Avantgardearchitektur des 20. Jahrhunderts.

Über die Beschreibung, die Problematisierung des hier konkret Gesehenen, komme ich dazu folgende Frage zu stellen: Was passiert, wenn das Objekt seine formalen Prinzipien als Skulptur und als Designobjekt im Raum ausspielt? Als Designobjekt liegen die Bedeutungen klar im Bereich des Konstruktiven, in der Motiviertheit der Form als nützliches Objekt in einem spezifisch architektonischen Kontext. Unter architektonischem Kontext verstehe ich die Rolle des jeweiligen Objekts in einer konstruierten Umgebung und damit in einer definierten Funktion im Raum. Sämtliche Arbeiten weisen in ihrer reduzierten, konstruktiv sauber ausgearbeiteten Form, Elemente des Gebrauchsobjekts auf. Sie dienen aber nach meinem Verständnis zuvorderst einer erweiterten Lesbarkeit von Skulptur.

Das Objekt, in dem sich die Kategorien Design und Skulptur decken, ist die Anfangs erwähnte Modellvitrine. So reduziert und unprätentiös, wie Krüger & Pardeller ihre Werke planen und ausführen, so unauffällig erscheint vorerst auch die inhaltliche Dimension dieses Vitrinentisches. In formal minimalistischer Manier ist in den Tisch ein zwar flaches aber dennoch dreidimensionales Modell des Ausstellungsraumes montiert. Der gemalte Grundriss ermöglicht die Lesbarkeit des Plans für den Betrachter. Es ist ein schmaler Streifen jenes Modells des Kunstpavillons, das die Künstler zur Erarbeitung der realen Ausstellungssituation im Vorfeld anfertigten und an dem sie Dimensionen und Konstellationen im Ausstellungsraum erprobten. Die Erarbeitung der Raumkonstellation samt Objekten ist auch an den Skizzen und Studien an der Wand abzulesen. Diese Referenz verstärkt die Dimension einer Reflexion über die gesamte Raumsituation und deren Wirkung auf den Betrachter.

Krüger & Pardellers künstlerischer Ansatz lässt Gemeinsamkeiten mit Arbeiten von John Armleder erkennen. Sind es bei Armleder die kunsthistorischen Referenzen an Minimal Art und Pop Art und deren Thematisierung der Ambivalenz von Gebrauchsobjekt und Kunstobjekt, so rückt in den gezeigten Arbeiten das Moment des Konstruktiven mehr in den Vordergrund. Die Skulpturen dienen zudem einem gesamten Raumkonzept und werden damit zu Form- und Material gewordenen Manifestationen einer imaginierten Raumsituation, d.h. der Vorstellung eines realen Raumes. Die ungerahmten Skizzen an der Wand spiegeln den geplanten Umgang mit dem Ausstellungsraum wider. Die Künstler mussten sich anhand des Modells und der dreidimensionalen Konstruktionszeichnungen den Raum in seiner Wirkung erarbeiten. Für sie war die Konstruktion des Raumes die Basis einer Vorstellung der Wirkung der Objekte im Raum. Als Ergebnis steht eine ganzheitliche Rauminstallation, die in der gesamten Schwere und Konkretheit der Einzelobjekte den Eindruck einer abstrakten Idee eines Raumes evoziert. Doris Krüger und Walter Pardeller machen mit dieser Ausstellung eine Stück für Stück erarbeitete Vorstellung eines Raumes deutlich - ein Gedankenexperiment über die Frage nach der generellen Möglichkeit konkreter Vorstellungen von Objekt und Raum.

Harald Krejci

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Die Oszillation der Seltsamkeit
Doris Krüger & Walter Pardeller
Ort: Kunstpavillon Innsbruck