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Mit der Installation "Kleine Halle der Stadt des unaufhörlichen Fortschritts" erfolgt die Simulation eines chinesischen Stadtplanungsmuseums: Martin Luce und Sebastian Post haben beim ziellosen Wandern zuvor gesammelt. Ihre Methode ähnelt dem ethnographischen Zugang von Anthropologen, sowie kulturwissenschaftlichen Mappings, bedient sich jedoch architektonischer Werkzeuge.

Das Ergebnis ist eine oftmals zufällig wirkende Bestandsaufnahme, die nur eins gemeinsam hat: sie verweigert sich der Übernahme einer im Zusammenhang mit Shanghaier Architektur dominanten Bildrhetorik, die schwanger von Fortschrittsmythen nur allzu oft die lokale Standortpolitik und ihre Profiteure bedient. Anstatt sich mit dem eigentlichen ästhetischen Entwurf und der Bildebene von Gebäuden, mit der Planung sozialer Nutzungen andererseits auseinander zu setzen, erstellen Post und Luce Grundrisse und Flächenkartierungen sozialer Nutzungsräume. Sie machen so Orte und Akteure sichtbar, die innerhalb der aktuellen Diskurse keine Relevanz haben - möglicherweise, weil sie unter der Schwelle europäisch geprägter ästhetischer Wahrnehmungsmuster verbleiben. Federball Propaganda ist ein Dokument der gemischten Gefühle westlicher Beobachter, die angesichts einer vermissten „Authentizität“ oder einer städtebaulich diagnostizierbaren „Zusammenhangslosigkeit“ entstehen. Detlev Ipsen wies darauf hin, dass jedes ästhetische Empfinden der „Schönheit eines Raumes“ unmittelbar mit der Glaubwürdigkeit der utopischen Energien, die seiner Ästhetik anhaften, verbunden ist. Veränderte sich die Glaubwürdigkeit des Entwicklungsmodells, so würden auch die diesem Modell entsprechenden Raumstrukturen ästhetisch uminterpretiert. Aus räumlichen Werten werde so „Abfall“.

Wer heute noch ironisch mit der reizvollen Hässlichkeit ostdeutscher Plattenbauten oder der chaotischen Gesichtslosigkeit afrikanischer Slumsiedlungen flirtet, könnte schon bald selbst Bewohner eines architektonischen Repertoires sein, das mitsamt des ihm zugrunde liegenden Gesellschaftsmodells zum Niedergang verurteilt ist. Denn eines wird deutlich - die europäische Kulturtradition ist schon längst nicht mehr in der Position, „Entwicklungshilfe“ leisten zu können. Stattdessen wird sie zum Restereservoir, aus denen einzig archetypische, zum Klischee geronnene Images gesamplelt werden. (Lu Yen Roloff)

Im materialverlag erscheint eine Publikation (134 Seiten). Zu beziehen ab 07 12 2005 unter ISBN 3-938158-25-5.

Pressetext

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Martin Luce, Sebastian Post: Federball Propaganda
Galerie HFBK, Hamburg