press release only in german

Rund zehn Jahre nach dem Tod des Situationisten Guy Debord (1931-1994) ist sein filmisches Œuvre - sechs SW-Tonfilme in 35mm, entstanden zwischen 1952 und 1978 - wieder zu sehen. Für das dritte Programm lädt Reservoir die Reihe DETAIL(S) der Kunsthalle Basel mit einem Film von Guy Debord ins Filmpodium ein. Debord, der mit seinem Buch La société du spectacle (Die Gesellschaft des Spektakels, 1967) und als Begründer der Bewegung des Situationismus (Internationale Situationniste) bekannt geworden ist, hat 1952 mit seinem ersten bilderlosen Film Hurlements en faveur de Sade begonnen, eine Kritik an der Kunst zu formulieren. Der Theoretiker des Spektakels hat den Film als “die zentrale Kunstform in unserer Gesellschaft” aufgefasst und sich selbst als Filmemacher bezeichnet: “Je veux un ciné qua non!” Seine Intention bestand darin, den medialen Status der anscheinend unmittelbaren Welt zu enthüllen, indem er die Methoden der Darstellung einer Befragung unterzog: Neben den Möglichkeiten des experimentellen Films wurde die visuelle und akustische Zweckentfremdung (détournement) zu seinem zentralen filmischen Verfahren. Störung und Unterbrechung sind Mittel, den Film aus entliehenen Bildwelten - vom Western bis zum Comic - zu montieren, um auf diese Weise mit der Herauslösung von Bildern aus ihrem Zusammenhang einen Wendepunkt der Kultur herbeizuführen. Zweckentfremdung dient auch der Umgestaltung und Neuinterpretation von Geschichte, welche für die Situationisten als Problem der Darstellung betrachtet worden ist. Vor diesem Hintergrund entwickeln Debords Filme eine eigenständige Sprache und sind - buchstäblich - ungesehene Beiträge zu einer Geschichte des Films.

Programm: La société du spectacle, Guy Debord, Frankreich 1973, 80 Min, OV

Ein charakteristisches situationistisches Vorgehen besteht darin, Theorie in die Sprache des Films zu übertragen (das spielt auf ein nicht fertig gestelltes Projekt an, das der sowjetische Regisseur Eisenstein plante: ausgehend von der “intellektuellen Montage” in Essay-Form Das Kapital von Marx zu verfilmen). Sechs Jahre nach Debords im Jahre 1967 artikulierter Theorie und Kritik des Spektakels (La société du spectacle) folgt die filmische Version. Debord verfilmt allerdings nicht alle 221 Thesen seines Buches, sondern bloss eine Auswahl davon und präsentiert sie auch in einer anderen Reihenfolge. Ausserdem enthält der Film zusätzliche Texte sowie collagierte Szenen aus Hollywoodfilmen, dem Sowjet-Kino, aus Softpornos und aus dokumentarischem Filmmaterial der Mai-Unruhen von 1968 in Frankreich. Was durch dieses dichte Gewebe aus Bildern, die auch für die Filmgeschichte zentral waren, an anderen Zusammenhängen sichtbar wird und die Wirkungen von Bildern befragt, kann gleichzeitig auch als eine Relektüre seiner eigenen theoretischen Arbeit betrachtet werden. Maja Naef, Kunshalle Basel

Im Rahmen ihrer Veranstaltung DETAIL(S) zeigt die Kunsthalle Basel am 23.4. und 25.4.2006 das gesamte filmische Ouvre von Guy Debord, mit einführenden Kommentaren von Markus Klammer, Stéphane Montavon und Maja Naef. Informationen unter www.kunsthallebasel.ch Einführung: Simone Schardt, Künstlerin und Kunstkritikerin, Zürich

Kuratiert von Wolf Schmelter

Literatur: Guy Debord "Die Gesellschaft des Spektakels", Edition Tiamat, Berlin, 1996 Thomas Y. Levin, „'Ciné qua non': Guy Debord und die filmische Praxis als Theorie“, in: Kunst/Kino, (Hrsg.) Gregor Stemmrich, Köln, 2001, Jahresring 48, Jahrbuch für moderne Kunst, S. 17-29. Roberto Ohrt, Phantom Avantgarde: eine Geschichte der Situationistischen Internationale und der modernen Kunst, Hamburg, 1997 Roberto Ohrt (Hrsg), Das Grosse Spiel - Die Situationisten zwischen Politik und Kunst, Edition Nautilus, Hamburg, 2000 Keith Sanborn „Return of the Suppressed”, in: Artforum, february (2006), S. 184-191.

only in german

Guy Debord: Die Gesellschaft des Spektakels
Kuratiert von Wolf Schmelter

Donnerstag, 27. April 2006, 18h, Filmpodium Zürich