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In einem bisher nicht gebotenen Umfang führt die Ausstellung des Landesmuseums Oldenburg die in den Kriegsjahren 1914 bis 1918 entstandenen Arbeiten des Worpsweder Malers Heinrich Vogeler (1872-1942) zusammen. Damit wird der Lebensweg des damals berühmten Jugendstil-Künstlers in der wohl schwierigsten und am wenigsten bekannten Zeit seines Lebens dokumentiert.

So schilderte Heinrich Vogeler rückblickend 1938 im russischen Exil seine Erfahrung aus dem Ersten Weltkrieg.

Nach Ausbruch des Krieges im August 1914 hatte sich Vogeler, inmitten einer tiefen Krise seines privaten und künstlerischen Lebens, als Freiwilliger gemeldet und  im September seine Ausbildung bei den Oldenburger Dragonern angetreten.

An der Ostfront in Galizien wurde er von 1915 bis 1917 eingesetzt, zunächst als Führer der Versorgungstruppe eines Schneeschuhbataillons in den heftig umkämpften Karpaten, später als Nachrichtenoffizier des XXIV. Reservekorps unter General Friedrich von Gerok. In diesem "Korps Gerok", vor allem zum Schutz Ungarns gegen Russland  in Galizien aufgeboten, verbrachte Vogeler den überwiegenden Teil des Krieges, war von dienstlichen Pflichten freigestellt und mit Erkundungs- und Propagandaaufgaben betraut. An den Kriegsschauplätzen schuf er Zeichnungen u. a. für ein umfangreiches Mappenwerk "Aus dem Osten", das 1916 erschien und dessen originale Vorlagen in der Ausstellung vollständig zu sehen sind.

Kriegszeichnungen Vogelers wurden für verschiedene Zwecke verwendet, erschienen in Zeitschriften, Kalendern oder als Postkarten. Auch malte er in unmittelbarer Nähe zur Front gelegentlich Landschaften und zerstörte Städte und Dörfer.

"Hier ändern sich die Dinge, die Verhältnisse, und über kurz oder lang wird sich mein Schicksal auch wohl anders entscheiden. Ich war in letzter Zeit wieder viel vorne. Die brennenden, zerschossenen Dörfer mit ihren zersplitterten, bis auf das gelbe nackte Holz von Pferden abgenagten Bauerngärten, das Summen, Schwirren der Geschosse, das Aufplatzen der totbringenden Erdfontänen, lähmt mich nicht. Diese Arbeit, dieses fürchterliche Vorwärtsdrängen der Grauen über den Schlamm, durch die zersplitterte, aufgewühlte Natur, vorbei an den zusammengebrochenen Wagen und Autos, müde im Schlamm schlafenden Männern, vorbei an den mit aufgerissenen Pferdeleibern umkränzten Granattrichtern, ist mir wie eine fremde, sinnlose Welt. Und wenn ich irgendwo im Schlamm der Strasse stehe und zeichne, ist es mir immer nur, als suche meine Seele in diesem Chaos nur immer wieder nach Rhythmus, nach Aufbau." (Heinrich an Martha Vogeler, 14. Januar 1917)

Angestoßen durch die persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen entwickelte sich in Vogeler mit der Überzeugung von der Sinnlosigkeit dieses Krieges eine Friedenssehnsucht, die er immer unverhüllter nach außen treten ließ. Er spürte 1917 die historische Tragweite des sich abzeichnenden Zusammenbruchs und erkannte die sinnlose humane Katastrophe, gegen die er nicht politisch, sondern christlich-ethisch und mit ungeheurer Schonungslosigkeit gegen sich selbst zu rebellieren begann. "Dies sei ein Schrei. Für alle Öffentlichkeit bestimmt mit allen Konsequenzen! Was liegt daran, wenn man mich persönlich vernichtet, wenn ich nur gehört werde, es sterben soviel bessere, stärkere Menschen wie ich. Verloren habe ich fast alle meine Freunde, meine äußeren Erfolge, und doch müssen sie mich hören, so kann man nicht weiterleben, dann vernichtet mich lieber." (an Harry Graf Kessler, 26.12.1917)

Als die Friedensverhandlungen von Bresk-Litowsk an der deutschen Haltung zu scheitern begannen und eine neue Aussicht auf Frieden erlosch, schrieb Heinrich Vogeler im Januar 1918 das "Märchen vom lieben Gott”, in dem er noch einmal einen bedingungslosen Frieden forderte, und sandte es an den deutschen Kaiser. Der Schluss-Satz lautet: "In die Knie vor der Liebe Gottes, sei Erlöser, habe die Kraft des Dienens, Kaiser.” Daraufhin wurde er verhaftet und in eine Irrenanstalt in Bremen gesteckt, weil man ihn nicht zu erschießen wagte.

Der Weg des Künstlers wird in der Ausstellung "Heinrich Vogeler im Krieg" anhand der biographischen und künstlerischen Zeugnisse ausführlich nachgezeichnet und vor den Hintergrund des Kriegsverlaufs, insbesondere an der Ostfront, gestellt. Damit kann deutlich werden, dass sich Vogeler an einem der am heftigsten umkämpften Schauplätze des Weltkrieges bewegte, zweimal in Frankreich an der Westfront war, was bisher weder die Vogeler-Biographien noch Vogelers eigene Erinnerunge deutlich werden ließen. Darüber hinaus bleibt die unermüdliche Produktivität dieses Ausnahmekünstlers festzuhalten, dessen Kriegszeit kein unfreiwilliges Intervall war, sondern eine durchlittene Erfahrung, die zur Klärung der pazifistischen und sozialistischen Haltung des späten Vogeler entscheidend beigetragen hat.

Zu der Ausstellung, die anschließend vom 25. September bis zum 14. November 2004 in der Kunststiftung Friedrich Netzel in Worpswede zu sehen sein wird, erscheint eine ausführliche Begleitpublikation im Bremer Donat-Verlag. Vorträge zur Zeitgeschichte, darunter des Sohne Jan Vogeler, rahmen die Oldenburger Ausstellung, die zugleich an die 90. Wiederkehr des Jahrestages der Kriegserklärung erinnern soll. Pressetext

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Heinrich Vogeler im Krieg
Arbeiten 1914-1918