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—— Kunstpunktur ——

Kunstpunkte, 2. Wo.-ende, 22-23 Sept. 2018: Punkt 184

Einladung

(Sa. 22.9.: 14 - 20 h; So., 23.9.: 12 - 18 h)

An dieser Runde Kunstpunkte beteiligen wir uns (angesichsts mehrfacher Klinikaufenthalte ab Jahresbeginn bis dato; "alles gut" – ) zu einem großen Teil konzeptionell.

Hauptthema ist auch in diesem Jahr vordergründig das laufende "Public Private" Gartenkunstprojekt, das nicht nur seit letztem Spätsommer/Herbst neue, teils mich selbst überraschende Formen (Auswüchse?) entwickelte ("And Korea"; "Mizu no Awa", Schaum auf’m Wasser, die Längshecke; Zugang chinesischer Weissdorn Shan zha: eines Teil-Themas und des Obstes wegen; restlose Vertilgung einer gesamten Stachelbeerernte am Vorabend des Pflücktags, durch Feldmäuse; u.a.). Vor den letzten Klinikaufenthalten habe ich mit Sylvies Hilfe auch konzentriert an der Formgewinnung, teils -Rückgewinnung, gearbeitet. Aber für Entwicklungen vom Juli bis heute „ist keine Gewähr“, wir mussten den Garten über längere Strecken, von Kernaktivitäten zum Erhalt abgesehen, weitgehend sich selbst überlassen. Es gibt – ausdrücklich g e m a c h – viel zu tun.

Währenddessen entstanden und entstehen Pläne, Topografien, Klärungen, Skizzen, Bestückungsaufnahmen und -vorhaben, und eben tieferliegende konzeptionelle Hintergründe. Diese arbeitete ich auch jetzt in der Klinik heraus, eine unverhofft „serendipitös“ = glücklich sich ergebende Gelegenheit. Die Gratwanderung Public Private soll (zugänglich) Bestand haben, Paradoxe sind Teil. Eine Probe, eine „Szene“ des Ganzen mag fürs oben erwähnte Unerwartete samt sozialplastischer Aspekte exemplarisch sein, und als Teil der Gesamtarbeit freue ich mich, Euch, Ihnen, die textliche Verarbeitung dieses Geschehens zukommen zu lassen. –


Auf mehreren Ebenen Garten

Ebenen

Ein Garten (oder auch eine gegebene Landschaft, als Projektionsgefilde), spielt auf mehreren Ebenen. Erzählung, eloquent (beredt), „Narrativität“, Zeugnis/zeugen, evozieren, ins/im Bewusstsein rufen, einführen, aktualisieren, [ver]gegenwärtigen. Lebendig-still und freimütig zwanglos-angebötig erinnern

[Erinnerung & Fortleben, Neues generieren (Synthese, mehr als die Summe der Teile)]

Etwa 14 Tage vor meiner Klinikeinweisung, es war ein Donnerstag, starb der Nachbar, Herr H., mit 82 Jahren. Herr H. kam – dereinst – aus Korea, und hatte sich nicht nur in den Kästen seines Parterre-Küchenbalkons, sondern im Garten in bunten Wannen verschiedener, mitunter imposanter Grundmaße, mit liebevoll schnurgerade ausgesetzten Sämlingsreihen seine Gemüseküche eingerichtet, oder präziser das Material dafür, nach koreanischer Siedlungsart, dicht, in Intensivmanier und ebenso intensiv gedüngt, ohne Scheu vor den blauen Streuseln nebst Organischem undurchblickbarer Herkunft. Ebenso undurchblickbar war, wer denn alles mit dem großen Intensiv-Ertrag, der in kurzen Abfolgen aus den Wannen schoss, zu verpflegen wäre — denn auch für das gelegentlich zum Abernten eintreffende kleine Netzwerk von Frauen aus der koreanisch-katholischen Gemeinde schienen mir die Mengen an Grün, schnipp-schnipp pragmatisch und das eine oder andere dazwischen Welke über die Schulter in meinen Wildblumenfleck expediert, erstaunlich.

Pak Choi und/oder Ähnliches, Blattsalatiges, das herbmilde koreanische Wasserkrautgewürz Minari, wie mir Herr H. sagte, nicht das, was japanisch Mittsuba heisst, die gelbblühenden Esschrisanthemen, Senf- und Kohlgewächse, die beiden typischsten Schnittknobläuche, Rettiche...

Das mit dem Japanischen war nämlich so: Über vielleicht ein Jahr hatte ich hin und her

...überlegt...

___ Unter den Ausnahmen zu meinem Bestückungskonzept von Essbar/Nutzpflanze/Duft/ Medizinisch ist ein Veilchen, die Blüte gesprenkelt. Die Varietät heisst „Freckles“, wie meine Mutter, die den ähnlich treffenden Kosenamen wohl auf meines Vaters Anspitzen hin angenommen hatte und über die Ehe, der bald überbelasteten und hinfälligen und derer ungeachtet — oder als Beschwörung ungelebter oder längst nicht mehr gelebter Glückstage, — darüber hinaus das heutzutage kurze Leben lang den Namen behalten, gehegt und sich mit ihm stets heiter, wenn man so will, und sie wollte, in informellen Begegnungen vorzustellen pflegte.

„Freckles“ Myriam Reader geb. Rubinstein, * 20. Mz. 1920 in Zürich, † 18. Apr. 1987 in London

– Why I am here

Wieder besorgen! 1 Stk. Viola sororia „Freckles“, Gesprenkeltes Pfingstveilchen, östl. Nordamerika. Im Frühjahr weiß/blaue Blüten, essbar. ___

... überlegt, war kurzum verlegen als Herr H. die Wannenkolonie in Abständen über benachbarte, im Gesamtdesign integrierte Topografien Stück-für- Stückweise erweiterte, weit hinein erweiterte auch in die über Jahrzehnte angelegte, endlich doch zuverlässig von städtisch beauftragten Heissluftbrennern verschonte Haustürpfad-Gestaltung, in den neueren Kunstgenren Intervention, die ich als Integration des in jeder Hinsicht plattgewesenen Pfades mittels einer winzig wachsenden Minze als polstrige Adern zwischen den grauen Zementplatten erreichen konnte– und ich stutzend nun noch nach der weiteren Verdeckung über eine mit zu Tage tretender Baumwurzel formgebenden Terrassierung hinweg — kulturell und persönlich verlegen also in einer Phase der Gartenentwicklung, in der mich jede Begegnung mit diesem so un-ortsspezifischen Ansatz erneut in die Unwag-und -wägbarkeit warf: Wie denn diesen so wortkargen Urheber zu Umgestaltungen gewinnen im Sinn des Orts und meiner Gesamtvorstellung, nämlich ihrer Wiederherstellung, wo seine Bestrebungen wie meine gleichberechtigt waren, nämlich rechtlos auf Gelände, das uns weder gehörte, noch uns vermietet oder sonstwie formal überlassen worden wäre — und dies wo er kaum Deutsch, ich keine Silbe Koreanisch beherrschte.

Vor dem Schlag konnte ich mehrere Sprachen, deutete uns Frau H. an. Sie fügt hinzu:

— Er spricht Japanisch.

— ?! – Ist das bei der koreanisch-japanischen Geschichte nicht schmerzlich? — Neinnein.

Suimasen, setzte ich Tage darauf endlich an, ‘Tschuldigung, aber wie wäre es für Sie, wenn die zwei von den vielen Wannen hier rechts auf dem halben Pfad und der Baumwurzel-Landschaft – zu Ihrer Wohnungsseite des Pfads kämen, innerhalb des mit Kies gefüllten Umrisses hier [unserem niederländesken Hausgiebel nachempfunden, ich hatte die Bodenzeichnung gerade in den Rasen gegraben]? Das wäre eventuell lockerer und für Sie zugänglicher und auch näher als die jetzige Anhäufung, soo wa ii desyoo ka? Wäre das OK?

Ein auf diese Frage hin auf einen Schlag achtzehnjähriger Ki Soon H. greift sichtbar begeistert (hatte er selbst das Jahr hindurch eine solche Lösung nicht gewagt anzugehen?), Ja! eine erste erdbeladene Wanne, eine der kleineren, schwer genug, hievt sie schwungvoll auf die gegen-überliegende Rasenseite, wir zusammen direkt die nächste, eine immense, und des Weiteren so, bis die am Minzquaderpfad angrenzende geschwungen/treppenförmig umrissene Fläche binnengeteilt ist in Kastenformen, ganz so, wie viele fernöstliche Ornat- und ältere Gebrauchs-gegenstände dies tun.

In Minuten hatten wir das Ganze umkomponiert, ein Aufatmen, ein Öffnen zu neuen Möglichkeiten hin. Nicht zuletzt zur baldigen Produktionssteigerung seinerseits, es wurden die Wannen und die Arten mehr, die Lage nicht zu sagen ausgereizt.

Während die Arbeit „mit“ der Natur in Form der alten Nadelbaumwurzel, kontur- und terassen-bildend, nun befreit und herausgeputzt wieder ihren gestalterischen Beitrag für Betrachter sicht-bar leisten und sein kann. Ein Geschehen, ein Prozess, den ich sehr gerne als auch kunst-integer schätze, ein Zelebrieren allemal. „Win-win“. Davon trägt auch Sylvies viel späterer Schreck nicht ab, als sie unverhofft auf ein emsiges Ehepaar H. trifft, dieses im Begriff, das besagte befreite, inzwischen „eingelebte“ Stückchen Gartenlandschaft – mit neuen, anderen Plastikwannen zu bedecken. Ihr Ruf, Nein, nein, bitte nicht,... D e s i g n !! hatte dann auch die erwünschte und wie wir hoffen, Gram-freie Wirkung.

Hierfür, für Geschehen, Lösung und offenem Zusammenkommen, danke ich ihm.

"And Korea". Gartenarbeit. Teilarbeit, in Arbeit.

Mit H. Ki Soon, * ca. 1935/36 vermutlich in Korea (bis 1945 jap. Protektorat bzw. Anschluss).

† 2018 in Düsseldorf, mit 82 Jahren.

Aus den Texten zu “Public Private", Gartenarbeit, lfd. © S. R. im September 2018


Im Atelier werden wir dann zu den Kunstpunkttagen eine Auswahl der Plan- und Konzeptskizzen und Texte zeigen. Bei geeignetem Wetter auch draussen das leibhaftige Public Private in seinen diversen „Kapiteln“ und Ebenen. Auch angefangene, der Fortsetzung harrende, somit z.Zt. noch verborgene Ansätze (Pfadgestaltung an der Nordmauer, Stein-Topografien, Safran-Areale) können dann entdeckt bzw. aufgezeigt werden.

Eine geeignete Körperschaftsform für das Werk ist in Erarbeitung („Watch This Space“), aller Ausgang noch offen.