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Traversée präsentiert mit großer Freude die Ausstellung Roomers von Robert Stadler. Der in 1966 in Wien geborene Designer ist mitbegründer der Gruppe Radi Designer.

Wenn Wohnungen sich nicht damit begnügen, Abstellkammern oder Kapseln zu sein, die ihre Bewohner demütigen, geben sie sich gern als Lichtungen aus, halten sich für Inseln, die die Außenwelt ausklammern, stellen sich als Häfen der Beschaulichkeit dar, die vor den wilden Orgien des städtischen Gewimmels bzw. dem geheimnisumwitterten Grauen des Landlebens schützen sollen.

Die hier unter der Bezeichnung Roomers zusammengebrachten Objekte machen solcher seichten Langeweile den Garaus: Sie sind zwar auch für den Wohnort erdacht, sprechen aber ganz und gar nicht die friedliche Sprache, auf welche Wohnungen sonst zu verweisen suchen. Mitbewohner sind sie, ja, aber keine ruhigen Gesellen, sondern vielmehr Vorboten einer neuen Tektonik. Schon bald erweisen sie sich als besessen, gestört. Sie sprechen das Vokabular einer Mobilität, die an Durcheinander grenzt, deren Gleichgewicht heikel ist, die die Realität rissig erscheinen lassen will. Die Roomers mögen gar bedrohlich erscheinen.

Das Chaos droht überhand zu nehmen, wenn es sich einer Uhr (24h) bemächtigt und den geordneten Raum aufrüttelt, als habe ihn ein gewaltiges Erdbeben erschüttert. Die Extrusion des Parketts (Drifters) bietet scheinbar Sitzgelegenheiten oder Abstellflächen und meldet gefährliche Bodenveränderungen, die Abgründe zum Vorschein bringen lassen. Auf dem Tisch (Negotable) ist die Katastrophe schon eingetreten. Er zeugt vom Chaos unkontrollierter Ansammlungen, auf die horizontale Ablageflächen in Wohnungen immer hinzusteuern drohen. Tische neigen dazu, von Informationsschichten überlagert zu werden. Mit Vorliebe rivalisieren hier Speise und Arbeit, Tastatur und Teller: Nur ein beweglicher Zaun, ein aufrechter Untersetzer, hält die Überhäufung im Zaum. Da drüben lodert ein Feuer (Burning Desire) und verschlingt eine Stuckleiste, bzw. entlarvt das Skelett dieses altmodischen Zierwerkes in rußgeschwärztem Porzellan und Brandgeruch. Dort droht ein Ungleichgewicht (Anywhere), erzeugt durch die formale und stilistische variable Asymmetrie von auf einer Achse angebrachten Leuchten. Und dort ist eine Bestie darauf und daran, eine Einlegearbeit aus unterschiedlichen Materialen und Farben, ein schönes Stück Meereslandschaft (Nowhere) zu verwüsten. Um dieses Crescendo der Unordnung nicht hören zu müssen, steht ein Helm (Pentaphone) zu Verfügung, dessen Schutz jedoch illusorisch ist und Zweifel an unserer Fähigkeit, Herr der Lage zu bleiben, aufkommen lässt.

Aber die Roomers lassen sich auch in umgekehrter Weise verstehen: Da ihre Dynamik das Möbelterritorium animiert, es in einen quirligen Spielplatz verwandelt, muss der Sinn, der ihnen zugesprochen wird, einer ebenso agilen Logik folgen. Burning Desire erweist sich nun plötzlich als Parfümgefäß, als doppelter Boden für ein von Robert Stadler kreiertes, verschachteltes Aroma: Verzauberung unterbricht die Brandkatastrophe, ein Hauch von Verkohlung fließt ein in den vielschichtigen Duft, Weihrauchgerüche rufen ein Gefühl von Wundertätigkeit wach. Auf dem Zifferblatt der Wanduhr (24h) ist die Harmonie zweimal am Tag wieder intakt und die vom Bild wiedergegebene Wirklichkeit ist rekonstruiert. Zu Mittag und um Mitternacht wird die flüssige Anmut der Kurven wieder perfekt. Die Verschiebungen der vertikalen Trennwand des Tisches (Negotable) sind Sieg über das Chaos, lassen Territorien miteinander spielen, lassen Eintracht zwischen widersprüchlichen Aktivitäten denkbar werden. Anywhere ist nun ein Werkzeug zur freien Wahl der Ausrichtung der Leuchten: Ohne den Boden zu verstellen, kann jeder Hort der Finsternis erhellt werden, es entsteht auf ein und derselben Linie ein Dialog zwischen Formensprachen, die man für unversöhnlich hätte halten können. Die erhöhten Parkettteile passen harmonisch zueinander, verhindern, dass man sich auf den Boden setzt oder Dinge abstellt, und schaffen durch ihre Einfügungsmöglichkeiten unbemerkt eine neue Ordnung – Frieden! Die Raubkatze verkrallt sich zwar in Nowhere, verschont aber die Rückenlehne des Sofas. Die polygonale Glocke der Stille (Pentaphone) spricht beruhigende, konstruktive Worte von gelassener Logik, von mathematischer Ordnung.

Die sieben Roomers sind Zeugnisse der Möglichkeiten der Sinnverschiebung, multiple Pauskopien eines Unsichtbaren – Rumors (Gerüchte) von etwas Anderem. Sie lassen vermuten, dass auch Robert Stadler ein Anderer ist, oder vielmehr dass er eine erfahrene Könnerschaft als Doppel-Ich errungen hat. Die Formen, die seine Werke mitunter annehmen, erinnern an einen Text von Saint-John Perse: « Eingeborene auf Borneo glauben, dass der Mensch jede Nacht sein zweites Ich frei lässt, und dass dieses sich in der ehrwürdigen Gestalt eines Affen die ganze Nacht verwegenen und wunderschönen Dingen hingibt, die dem armen Tag-Sklaven versagt sind. Es ist ihm jedoch untersagt, am Tage sein Nachtwesen zu erwähnen. »

Leise flüstere ich: Bei den Roomers war der erlauchte Affe zu Gange. Robert Stadler darüber zu befragen ist zwecklos. Es ist ihm nicht gestattet, sich dazu zu äußern.

Text: Pierre Doze

Pressetext

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Robert Stadler
Roomers
Vernissage: 07.12.06