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Rooms with a View. Aby Warburg, Florenz und das Labor der Bilder
19. September – 10. Dezember 2023

Eine Ausstellung der Gallerie degli Uffizi und des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut in Zusammenarbeit mit dem Warburg Institute, London

Als der Kunsthistoriker Aby Warburg (1866–1929) in seinem letzten Lebensjahr schrieb „Florenz ist mein Schicksal“, fasste er damit eine mehr als vierzigjährige Beziehung zur Stadt am Arno zusammen, die mit seinem ersten Aufenthalt im Jahr 1888 begann. Florenz war von grundlegender Bedeutung für Warburgs Denken und für seine wegweisenden Theorien auf dem Gebiet der Bildgeschichte; er war zugleich eine der zentralen Figuren in den ersten Jahren des 1897 in Florenz gegründeten Kunsthistorischen Instituts in Florenz, heute ein Max-Planck-Institut. Die Bedeutung von Florenz für Warburg liegt nicht nur in den Werken aus Antike und Renaissance, sondern auch in den weitreichenden historischen, politischen und urbanen Umwälzungen seiner Zeit. Dies ist ein roter Faden, der sich durch die Ausstellung Rooms with a View. Aby Warburg, Florenz und das Labor der Bilder zieht, die von den Gallerie degli Uffizi und dem Kunsthistorischen Institut in Florenz – Max-Planck-Institut in Zusammenarbeit mit dem Warburg Institute in London konzipiert wurde und vom 19. September bis 10. Dezember 2023 in den Räumen der Galleria delle Statue e delle Pitture der Uffizien zu sehen ist.

Die Ausstellung zeigt Tafeln aus dem Mnemosyne-Atlas, dem letzten großen Projekt des Kunst- und Kulturhistorikers. Es handelt sich um einen Bilderatlas als offenes Labor, eine Kartografie des kulturellen Gedächtnisses. Der Atlas blieb bei Warburgs Tod 1929 unvollendet; er besteht aus einer Serie von Tafeln, auf die fotografische Reproduktionen von Kunstwerken und anderen Bildern gepinnt sind. Die 63 Tafeln der letzten Version sind in Fotografien von 1929 überliefert und wurden 2020 mit Originalmaterial des Warburg Institute rekonstruiert. Eine prominente Auswahl von Tafeln wird hier zum ersten Mal in Italien präsentiert – zusätzlich wurden zwei Tafeln der vorletzten Fassung für die Ausstellung neu rekonstruiert. Indem diese Tafeln in den Sälen der Uffizien gezeigt werden, wird eine direkte Konfrontation zu Werken ermöglicht, auf die sie sich beziehen, und damit Warburgs Experimente an den Ort zurückgebracht, von dem sie inspiriert wurden.

Die Ausstellung lädt zu einem Besuch von Florenz mit Warburg ein (zum Beispiel der großen Freskenzyklen des 15. Jahrhunderts), während sie gleichzeitig Aspekte des internationalen kulturellen Lebens der Stadt um 1900 vorstellt und den Spuren von Warburgs Anwesenheit und seinen Studien in den Florentiner Museen und Archiven bis heute nachgeht. Schließlich präsentiert sie Aby Warburgs Auseinandersetzung mit den Protagonisten und Institutionen der Stadt seiner Zeit.

Die Sammlungen der Uffizien (mit Botticellis Primavera und der Geburt der Venus, dem Portinari-Altar, der Gruppe der Niobiden und Baccio Bandinellis Laokoon) treten so in einen Dialog mit Warburgs Labor der Bilder. An diesem Dialog mit mehr als 100 Fotografien, Zeichnungen und anderen Werken nehmen auch zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler teil wie William Kentridge, Lebohang Kganye, Alexander Kluge, Goshka Macuga, Małgorzata Mirga-Tas, Sissi Daniela Olivieri und Akram Zaatari. Er lädt zum einen dazu ein, über die Koordinaten und Ordnungen der Galerien der Uffizien selbst nachzudenken, die mit ihren antiken Statuen und Gemälden der Renaissance ihrerseits als Atlas verstanden werden können. Zum anderen demonstriert er die Aktualität von Warburgs Bilddenken mit seiner Praxis des Schneidens, Skalierens und Montierens in immer neuen Konstellationen. Bilder, so Warburg, sind Migranten oder Fahrzeuge, sie verdichten und reaktivieren Energiereserven, sie simulieren Bewegung, sie drücken emotionale Zustände aus. Die Aktualität Warburgs zeigt sich in Anbetracht der digitalen Dynamik der visuellen Kultur in unserer Zeit, aber auch im Hinblick auf eine ‚globale‘ Geschichte der Bilder und der Kunst.

Der Direktor der Uffizien, Eike Schmidt: „Für Aby Warburg ist die Rolle von Florenz und insbesondere der Uffizien mehr als offensichtlich, wenn man bedenkt, dass er nach seinem ersten Aufenthalt in der Stadt 1888–1889 seine Doktorarbeit über zwei der heute berühmtesten mythologischen Gemälde von Sandro Botticelli schrieb: die Primavera und die Geburt der Venus (zu Warburgs Zeiten hatten sie sicherlich noch nicht den Bekanntheitsgrad erreicht, den sie heute genießen). Auf seiner vergleichenden Methode, wie sie im Bilderatlas, den er Mnemosyne nannte, zu sehen ist, beruht die Grundlage der großen Veränderungen und Umgestaltungen unseres Museums nach dem Zweiten Weltkrieg, ein Beweis für die Modernität seines Denkens, das auch heute noch relevant ist.“

Bill Sherman, Direktor des Warburg Institute: „Fast hundert Jahre nachdem das von Aby Warburg gegründete Institut nach London ins Exil ging, erlebt Warburgs Werk nun endlich eine Heimkehr. In den Jahren 2020/2022 haben wir die Ausstellungen zu seinen Projekten in seiner Heimat Deutschland mit Freude unterstützt. Aber sein Herz war in Italien – und sein Geist, wie er sagte, in Florenz. Daher ist es besonders aufregend, Warburg in das Museum zurückzubringen, in dem er seine Berufung fand. Die Begegnung zwischen Warburg und den Uffizien veränderte nicht nur Warburgs Karriere, sondern auch die Kunstgeschichte selbst. Ich hoffe, dass die neuen Begegnungen, die diese Ausstellung sichtbar macht, den Fragen, die er in den 1890er-Jahren stellte, neues Leben geben.“

Der Direktor des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut, Gerhard Wolf: „Rooms with a View ist das Ergebnis einer beeindruckenden Zusammenarbeit, die die große Relevanz von Warburgs Bildlabor demonstrieren soll. Sein experimenteller Ansatz, mit Bildern zu denken, ist in der Tat auch hundert Jahre später noch eine große Inspiration, wenn man ihn mit der digitalen ‚Welt‘ der Bilder vergleicht, ebenso wie seine Studien über die psychischen Energien der Kunst. An der Ausstellung fasziniert mich der dreifache Dialog zwischen den Werken der Uffizien, Warburgs Bildern und den Werken zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler.“

Die Kuratorin Marzia Faietti: „Eine einzigartige und in gewisser Weise experimentelle Ausstellung lebt mit der Tradition zusammen, die die Uffizien verkörpern und die sich aus einem unentwirrbaren Ensemble von Sammlungen und historischen und monumentalen Räumen zusammensetzt. Dieser Ort, ein faszinierendes Palimpsest der Geschichte, regt gleichzeitig dazu an, über den Tellerrand hinauszuschauen, auf den Spuren der Experimentierfreudigkeit der Künstlerinnen und Künstler jeder Epoche und des Blicks der Medici auf neue Welten. Welcher Ort wäre besser geeignet für eine Ausstellung über Aby Warburg?“

Aby Warburg Aby Warburg (1866–1929) zählt zu den bedeutendsten Kunst- und Kulturhistorikern. In Hamburg in einer Bankiersfamilie jüdischer Herkunft geboren, gründete ereine kulturwissenschaftliche Bibliothek, die 1933 als Folge der nationalsozialistischen Machtergreifung nach London emigrierte, wo sie sich noch heute als Warburg Institute befindet. Florenz spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle in seiner Arbeit über die Rezeption des Pathos und der Bewegung antiker Werke in der Renaissance. Hier verbrachte Warburg zwischen 1888 und 1889 ein Semester als Kunstgeschichtsstudent, lernte seine spätere Frau kennen, die Künstlerin Mary Hertz, und gehörte zu den Gründern des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, einer heute als Max-Planck-Institut aktiven Forschungseinrichtung, die sich der Kunstgeschichte und ihren zeitgenössischen und globalen Herausforderungen widmet. Warburg beschäftigte sich mit den mythologischen Gemälden Botticellis und dem Festapparat der Medici. Nach einer Reise, die ihn zur Kunst, Kultur und Ritualen der Hopi und Pueblo in Arizona und New Mexico führte, heiratete er 1897 und ließ sich in Florenz nieder, um die Renaissance mit neuem Blick zu studieren, Ghirlandaios berühmte Nymphe wurde zum Leitbild. Ab 1904 war er in Hamburg und erweiterte seine Forschungen auf die Geschichte der astrologischen Bildsprache. Zugleich baute er seine kulturwissenschaftliche Bibliothek aus, die im 1933 nach London emigrierten Warburg Institute fortlebt. Der Erste Weltkrieg, der den deutsch-italienischen Dialog bedrohte, brachte sein psychisches und nervliches Gleichgewicht ins Wanken; er verbrachte Jahre in Binswangers Klinik am Bodensee (1921–1924). Als er wieder an die Arbeit zurückkehrte, widmete er sich u.a. der Arbeit am Bilderatlas Mnemosyne mit der Montage von Fotografien und Reproduktionen, nach thematischen Konstellationen geordnet, angelegt als eine Karte des kulturellen Gedächtnisses. Mit seinem Tod 1929 blieb diese Synthese seiner Studien unvollendet.

Die Gallerie degli Uffizi sind eines der wichtigsten und meistbesuchten Museen Italiens; sie wurden 1769 offiziell eröffnet und beherbergen heute eine der größten Sammlungen von Kunst der Antike und der Renaissance. www.uffizi.it

Das Kunsthistorische Institut in Florenz - Max-Planck-Institut ist ein 1897 gegründetes Forschungsinstitut, das sich den Kunstgeschichten in globaler Perspektive und ihren zeitgenössischen Herausforderungen widmet. www.khi.fi.it

Das Warburg Institute in London, gegründet von Aby Warburg in Hamburg, ist ein Zentrum für die Erforschung der Interaktion von Ideen, Bildern und Gesellschaft und heute Teil der University of London. warburg.sas.ac.uk