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Achtung! ALIENS unterwegs! Seit 2000 schickt die Dresdner Künstlerin Ulrike Gärtner (*1961) mit diesem Kunstprojekt die Raupen des Ailanthus-Spinners durch die Lande. Über New York, Dresden, Leipzig und Kassel hat ihr Langzeit-Unternehmen nun ab dem 10. Mai 2007 in Dresden auf der Grünfläche Holbeinstraße vor dem Institut für Leichtbau- und Kunststofftechnik der Technischen Universität auf der Marschnerstraße erneut eine temporäre Bleibe gefunden.

Der Prototyp VIVARIUM, konzipiert von Ulrike Gärtner und zanderarchitekten, Dresden und gebaut vom TU-Institut, gibt dem Kunstprojekt im öffentlichen Raum seinen Namen. Er fungiert als geschlossener Lebensraum für die Ailanthus-Spinner, die sich von den Blättern des auf der Grünfläche wachsenden Götterbaumes ernähren, und ist in seiner äußeren Form plakativ einem Ufo nachempfunden. Das VIVARIUM, verstanden als mobile »Zeitheimat« der Raupen und Falter, wird in der Johannstadt alle Blicke auf sich ziehen, hebt es sich doch deutlich vom vorgefundenen Umfeld ab. Das VIVARIUM erweitert als zentraler Teil das auf überregionalen Austausch und interdisziplinäre Kooperation setzende Langzeitprojekt ALIENS unterwegs!

Wie gelangt nun das VIVARIUM in die Dresdner Johannstadt mag man sich bei der Beschreibung des Kunstprojektes fragen und an welchem Punkt kommt die Mobile Einbürgerungshilfe ins Spiel?

Ulrike Gärtner thematisiert mit ihrem Kunstobjekt für den öffentlichen Raum auf subtile Art und Weise unsere visuelle und gesellschaftspolitische Wahrnehmung und stellt unseren alltäglichen Umgang mit Fremdheitserfahrungen und Andersartigkeit in Frage. Am Beispiel des chinesischen Seidenspinners und dessen Raupen, die im 19. Jahrhundert in Süd- und Mitteleuropa zur Seidenproduktion angesiedelt wurden (der Kokon dient der Herstellung von Seide), wurde eine ›exotische‹, gebietsfremde Falterart eingeführt. Ernährungsgrundlage des Ailanthus-Spinners und seiner Raupen sind die Blätter des ebenfalls in Asien beheimateten Götterbaumes (Ailanthus altissima), der bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert als Zierbaum nach Europa kam. Heute scheidet der Götterbaum als »Neubürger« die Geister. In Mitteleuropa, insbesondere in den wärmeren Stadtzentren, wird der Ailanthus durch seine schnell wachsenden Sämlinge als Gefahr des gepflegten Stadtgrüns empfunden, wo er sich insbesondere seit 1945 auf Brachflächen wild ausbreiten konnte. In Folge dessen haben sich in Wien und Freiburg im Breisgau bereits Populationen des Ailanthus-Spinners angesiedelt.

VIVARIUM und/oder Mobile Einbürgerungshilfe stellt am Beispiel des Götterbaumes und des Ailanthus-Spinners die Verbreitung des in Europa gebietsfremden Baumes und seine mittlerweile als Gefahr empfundene Präsenz im Stadtraum zur Diskussion. Durch ihr künstlerisches Projekt gelingt es Ulrike Gärtner überhaupt auf diese Ambivalenz aufmerksam zu machen: Theoretisch und praktisch wird der Prozess dieser fingierten »Einbürgerung« durch VIVARIUM und/oder Mobile Einbürgerungshilfe vor Augen geführt und der öffentliche Raum somit als Ort der kämpferischen Austragung dieser anthropogenen Bio-Invasion, die zu einer verminderten europäischen Baumvielfalt führen kann, erkennbar gemacht. Diesem Aspekt steht der Nutzen und ökologische Wert der Begrünung v. a. städtischer Brachflächen und eine bewusste Ansiedlung des Götterbaumes als Stadtgrün – wie die kürzlich erfolgte Anpflanzung von Götterbäumen entlang der Bautzner Straße in Dresden zeigt – konträr gegenüber.

Am Ort des Geschehens wird die öffentliche Diskussion des Für und Wider gebietsfremder Arten angeregt. Vorbeieilende Passanten, Besucher und Mitarbeiter der umliegenden Institute, Neugierige und Kunstinteressierte können im VIVARIUM die darin gezogenen Seidenraupen und Falter hautnah erleben. Das öffentliche Ansehen des Götterbaumes wird neu überdacht, seine oft als vernachlässigt empfundenen Standorte werden über einen ›Kunstgriff‹ belebt und aufgewertet. Denn bis sich Götterbaum-Spinner von selbst in unseren heimischen Gefilden ansiedeln, ist wohl nur eine Frage der Zeit. Das VIVARIUM, das am 10. Mai 2007 eingeweiht wird, fungiert künftig als mobile Basis-Station des Unternehmens. Nach kurzem Standortwechsel in Dresden wird es dauerhaft auf Reisen gehen. Als nächste Stationen sind Kassel und Leipzig im Gespräch.

VIVARIUM und/oder Mobile Einbürgerungshilfe für ALIENS unterwegs! ist Fortsetzung und Weiterbeschäftigung des Kunstfonds mit der Thematik ›Kunst im öffentlichen Raum‹, die 2003 mit dem Großprojekt DRESDENPostplatz 2003 initiiert wurde.

Weitere Informationen erhalten Sie beim Kunstfonds, Ansprechpartnerin Silke Wagler, unter 0351/31 403 13.

Projekt im öffentlichen Raum – Projektträger Kunstfonds

Beteiligte: Kunstfonds, Staatliche Kunstsammlungen Dresden Ulrike Gärtner in Kooperation mit zanderarchitekten I Zander Miller Pötzsch GbR und dem Institut für Leichtbau- und Kunststofftechnik, TU Dresden

Gefördert durch: Kulturstiftung des Bundes, Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und Leichtbau Zentrum Sachsen Unterstützt von: Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig I Kunstverein Leipzig I culturtraeger

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Ulrike Gärtner
VIVARIUM und/oder Mobile Einbürgerungshilfe für ALIENS unterwegs!
Inbetriebnahme & öffentlicher Testlauf im Stadtraum Dresden
Grünfläche Holbeinstraße zwischen Marschner- & Grundigstraße
ab 10. Mai 2007, 17.00 Uhr