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Landschaften wie Fieberträume ...Westcoast, The Park und Atlantic Garden von Ulu Braun

Landschaft als ästhetische Kategorie und experimentelle Filmgestaltung haben seit der Geburtstunde des Films immer ein sehr enges Verhältnis zueinander gehabt: dabei spielte die besondere Kapazität des Films, Raum visuell zu erfassen, eine wesentliche Rolle. Egal ob in den rasanten Eisenbahn-Kamerfahrten des frühen Films, der Visualisierung von Landschaft im Mainstream Western und in der Landart oder in den strukturell-analytischen Auseinandersetzungen wie beispielsweise jenen von Michael Snow – der Film zeigte kontinuierlich seine Fähigkeit Landschaften neu zu erfassen und somit auch zu denken.

Betrachtet man in diesem Zusammenhang die neuen Videoarbeiten Ulu Brauns, so wird uns diese spezifische Qualität des Mediums Films erneut vor Augen gehalten. Bereits in den Titeln werden von Braun dynamische Referenzfelder erzeugt, in denen sich die Frage nach einer historischen Auseinandersetzung mit der Kategorie Landschaft spiegelt: ob in Westcoast und den darin liegenden Evokationen einer existentiellen amerikanischen Beschäftigung mit dem eigenen Land, die sich durch sämtliche Künste zog; oder in The Park womit die zutiefst europäische Fragestellung nach der aktiven Gestaltung von Natur perspektiviert wird. Braun verdeutlicht bereits hier sein Interesse an der Hinterfragung einer Kategorie und den damit verbundenen ästhetischen Gestaltungsdynamiken.

Dabei können diese Arbeiten einerseits, in Bezug auf verschiedene formale Referenzen, durchaus in einer Entwicklungslinie mit jenen filmhistorischen Auseinandersetzungen gesehen werden. Der von Braun immer wieder gerne eingesetzte 360°-Schwenk ist beispielsweise ein geradezu klassisches Filmmittel zur Erfassung und Erforschung von Landschaften. Andererseits aber gilt es gerade bezüglich dieses Schwenks jenen kategorischen Bruch mit der filmischen Tradition auszumachen, welcher bei Braun ebenso deutlich vor Augen tritt: denn so sehr der klassische Schwenk einer Kamera hier auch evoziert werden soll, es ist es nicht mehr die Filmkamera, welche die vor ihr liegende Landschaft erfasst und auf Zelluloid bannt, sondern eben der Computer, welcher die Landschaft bestehend aus verschiedensten Aufnahmen erst collagierend konstituiert.

Mit dieser Verschiebung vom gefilmten zum gerechneten Bild wird in Ulu Brauns Arbeiten aber nicht weniger als eine der elementarsten Veränderungen in Hinblick auf die Frage nach neuen Bildwelten und ihren Eigenschaften adressiert. Denn diese neuen visuellen Bildräume setzen sich von den bisherigen mimetischen Bedingungen des Filmischen kategorisch ab, d.h. sie funktionieren nicht mehr direkt analog im Sinne von Lichtwellen die einen wirklichen Raum in ein Zelluloid oder unsere Augen prägen, sondern ordnen das Sehen auf einer vom menschlichen Sehen getrennten Ebene neu an. Eine solche Form der Bilder hat, wie Jonathan Crary treffend formuliert hat, nichts mehr mit einem unmittelbaren Verhältnis des Betrachters zu einer wahrnehmbaren Welt zu tun. Stattdessen geht es um eine fortschreitende Abstraktion des Visuellen (J.C.: Techniken des Betrachters, S.11/12).

Derartig losgelöst aus den Formen des Abbildens (auf Seiten des Künstlers) und Erkennens (auf Seiten des Betrachters) zeigt Braun was es bedeutet diese freigewordenen Potentiale zu nutzen und entwickelt Landschaftscollagen, die an delirierende Momente eines Fiebertraums erinnern. Indem er dabei das Nichtvereinbare zusammenstellt entwickelt Braun hier einen neuen Raum für Denkmöglichkeiten, den die tradierten Formen des Filmischen oft nicht mehr erzeugen können. Und eben hier, in jenen fiebrigen Zwischenräumen, jenen entstehen Landschaften die nicht aufhören uns zu befragen was das denn sei: die Landschaft, das Bild und – wir.

Marc Glöde, Berlin 2011

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