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22. Oktober 22 – 15. Januar 23

Christopher Kulendran Thomas: Another World
in Kooperation mit Annika Kuhlmann und mit Aṇaṅkuperuntinaivarkal Inkaaleneraam

„Wie kann man von den Verliererinnen erzählen, wenn die Geschichte bereits von den Gewinnerinnen geschrieben wurde?“ – Christopher Kulendran Thomas

Die Ausstellung Christopher Kulendran Thomas – Another World nimmt den gescheiterten revolutionären Kampf für ein unabhängiges tamilisches Heimatland im Nord-Osten Sri Lankas als Ausgangspunkt, um alternative Ansätze zu Technologie zu ergründen.

Während des Bürgerkriegs in Sri Lanka wurde der De-facto Staat Tamil Eelam von einer neo-marxistischen Befreiungsbewegung autonom regiert, die das aufkommende Internet nutzte, um innerhalb der tamilischen Diaspora ein weltweit verzweigtes, eigenständiges Wirtschaftssystem zu etablieren. Die politischen Ambitionen wurden jedoch durch einen erbitterten militärischen Konflikt in den Hintergrund gedrängt, und der autonome Staat wurde von der Regierung Sri Lankas 2009 brutal aufgelöst.

In der Ausstellung in den KW ist die neue Videoarbeit The Finesse (2022) zu sehen, die gemeinsam mit der langjährigen Kooperationspartnerin des Künstlers Annika Kuhlmann konzipiert wurde und dem verlorenen Erbe der Befreiungsbewegung in der Heimat von Kulendran Thomas’ Familie nachspürt. In der immersiven Filminstallation verschmelzen Popkultur und Politik mit Archivbildern und computergenerierten Avataren, um über fünf monolithische Bildschirme und eine Projektion hinweg die gesamte erste Etage der KW in eine architektonische Halluzination zu verwandeln. The Finesse zeichnet den Versuch der tamilischen Unabhängigkeitsbewegung nach, eine eigenständige kooperative Wirtschaft aufzubauen, die auf erneuerbarer Energie, gemeinschaftlichem Besitz und computergestützter Koordination beruhen sollte. Indem sie die Grenzen zwischen historischer Forschung und einer Sci-Fi-Realität verschwimmen lässt, macht die Arbeit sichtbar, wie Kunst, Architektur und Technologie, die mit dem Untergang des tamilischen Staates verloren gingen, auch heute noch radikal andere Ideen generieren könnten.

Im zweiten Obergeschoss der KW ist eine Reihe neuer Malereien zu sehen, in denen Kulendran Thomas mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz seinen künstlerischen Arbeitsprozess erweitert. Die Gemälde sind mit Hilfe von Algorithmen entstanden, die anhand der mimetischen Zirkulation kunsthistorischer Formen trainiert wurden, die zu Zeiten der britischen Kolonialherrschaft und nach Ende des Bürgerkriegs aus dem westlichen Kunstkanon nach Sri Lanka überführt wurden. Diese Malereien werden gemeinsam mit Keramiken von Aṇaṅkuperuntinaivarkal Inkaaleneraam ausgestellt, einer einflussreichen Figur im künstlerischen Widerstand in Eelam.

Eine neue Variation von der 2019 entstandener Videoarbeit Being Human (in Zusammenarbeit mit Annika Kuhlmann) teilt das zweite Obergeschoss. Die Arbeit nimmt die Besucher*innen mit auf eine elliptische Reise durch das heutige Sri Lanka, von den Nachwirkungen des Bürgerkriegs bis zur Colombo Art Biennale, die mit Ende des Krieges unmittelbar ins Leben gerufen wurde. Der Film verbindet tatsächlich gelebte Erfahrung mit algorithmisch entworfenen Figuren, darunter prominente Gäste der Colombo Art Biennale und Kulendran Thomas’ Onkel, der in Tamil Eelam ein Zentrum für Menschenrechte gründete.

Kurator: Krist Gruijthuijsen
Assistenzkuratorin: Sofie Krogh Christensen