press release

Do I dare to eat a peach?
mit Aline Bouvy, Kihlberg & Henry, Hassina Taalbi, Fryd Frydendahl and Naama Arad

Curated by Luisa Schlotterbeck & Marcel Hiller

23.11.2019 - 04.01.2020

Do I dare to eat a peach?
If you call a fire engine green, aquamarine – or you think water is pink. – „Dawg, that’s a date”, “looks like an olive to me” – “Look, there's an apple”, “No it's not, It's a peach!” (Eminem, The Ringer, 2018)

Je nach Kontext, gewinnt der Sinn eines W ortes an spezifischer Bedeutung und hinterlässt damit jeder vermeintlichen Objektivität ihre Unsicherheit. Dabei bedeutet Unsicherheit im wissenschaftlichen Sinne einen bewusst wahrgenommenen Mangel an Reliabilität und Validität. Interessant ist hierbei, dass Unsicherheit keinen tatsächlichen Mangel bedeuten muss. Roter Weinbergpfirsich, Plattpfirsich, Prosauer Pfirsich, Amsden Pfirsich, Anzahl und Größe, Folie, Preis, Gewicht und Herkunftsland.

There will be time, there will be time
Nachhaltige Landwirtschaft, Diskussionen um ökologische Fußabdrücke und die Bitten klassischer Mittelschichtskonsumenten, um regionales Lebensmittelwachstum, mögen die Entscheidung einen Pfirsich zu essen durchaus als ein Wagnis erscheinen lassen. Für Wohlstandsgesellschaften ist Hunger so abstrakt, dass sie einen Regelkatalog entwerfen, der die moralische Bilanz eines jeden Lebensmittels aufführt – für die eigene Gesundheit im Einklang mit einer von ihnen selbst imaginierten und sauberen Umwelt.

Ein zeitgenössisches „Wir“ sollte Abweichungen der als globale Exklusionsstruktur entlarvten Wohlstandsgesellschaft inkorporieren können. Mitte des letzten Jahrhunderts postulierte Herbert Marcuse in Anlehnung an Marx, deutlich die Obszönität der modernen Gesellschaft: „Diese Gesellschaft ist insofern obszön, als sie einen erstickenden Überfluss an Waren produziert und schamlos zur Schau stellt, während sie draußen ihre Opfer der Lebenschancen beraubt; [...] obszön in den W orten und dem Lächeln der Politiker und Unterhalter; in ihren Gebeten, ihrer Ignoranz und in der W eisheit ihrer gehüteten Intellektuellen. [...] Nicht das Bild einer nackten Frau, die ihre Schamhaare entblößt, ist obszön, sondern das eines Generals in vollem Wichs [...]“ (Herbert Marcuse, Versuch über die Befreiung, 1969, S. 21)

And time for all the works and days of hands
That lift and drop a question on your plate
Der Titel dieser Ausstellung ist dem 137 zeiligen Gedicht The Love Song of J. Alfred Prufrock von T.S. Eliot aus dem Jahr1915 entnommen. In der Form eines dramatischen Bewusstseinsstroms, beschreibt der damals junge Eliot, aus der Sicht eines alternden Mannes, dessen Hadern darüber, sich zu äußern. Der Akt der Offenlegung seiner Liebe steht im Kampf gegen seine abstrakte Angst. Wie man sich die Haare kämmt oder die Hose trägt, sind dabei ebenso existenzielle Fragen für Prufrock, wie das Essen eines Pfirsichs ein Wagnis bedeuten kann.

Shall I part my hair behind? Do I dare to eat a peach?
Unsere eigene Perspektive auf die Dinge wächst aus einer kausalen Struktur, denn unser Blick entwirft sich selbst nicht aus dem Nichts heraus. Wie sollte er sich aus dem Leeren verschränken? „Absolute Subversion kann es nicht geben. Man unterminiert immer etwas Bestimmtes, man nimmt eine andere Haltung ein, geht auf Abstand, tritt einen Schritt zur Seite. Mit Foucault gesprochen: Es ist sinnlos von einem unmöglichen affrianchissement, von einer großen Befreiung zu träumen. Sehr wohl kann man aber manche Grenzen übertreten, die die Geschichte hervorgebracht hat und die unsere Existenzen einengen.“ (Didier Eribon, Rückkehr nach Reims, 2009, S. 219) So how should I presume? Die Angst vor der eigenen Nacktheit wird in Eliots Gedicht zu einer kunstvollen Darstellung über die Bedeutung von Unsicherheit. So flottieren die Strophen des Dichters zwischen überheblicher sowie bewusster Beobachtung und sarkastischer Frustration und springen durch intellektuelle Verweise von Dante Alighieri bis hin zu Shakespeare. Es entsteht ein Bild bitterer Ehrlichkeit, in die Landschaft von Wahrnehmungen gebettet, die verzweifelt versuchen sich an etwas festzuhalten. Dabei sind der Stolz und das Ego des einsamen weißen Mannes nicht minder dominant, als in den Zitaten so manch einer Dark-Rock Legende. Am Ende verschleiert der Stolz gewiss den Blick. Ist doch der Blick aus diesen Versen vielmehr ein hoffnungsloser aus dem Inneren heraus auf die lebendige W elt, deren Bewohner sich in Oberflächen bewegen und dabei ihr eigenes Handeln in eine gestaltete Tirade verformen.

And indeed there will be time to wonder,
“Do I dare?” and, “Do I dare?”
Das Wagen selbst kann seine Bedeutung tragen, kann aber zeitgleich unbedeutend sein. Woran halten wir uns also fest? Vielleicht wird das Fallen zum Fliegen, wenn man aufhört sich an Dingen festzukrallen.

Do I dare Disturb the universe?
Diese Ausstellung fragt nach dem inneren Hadern - nach der absurden Angst, den Lauf des Universums zu stören.

Luisa Schlotterbeck und Marcel Hiller