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Das wohl bekannteste Werk von Dorothea Tanning ist 'Birthday' von 1942, über das sie in ihren Lebenserinnerungen schreibt: "Zuerst gab es nur das eine Bild, ein Selbstporträt. Es war nach heutigen Maßstäben eine bescheidene Leinwand. Aber es füllte mein New Yorker Atelier, das hintere Zimmer der Wohnung, als wäre es immer schon dagewesen. Tatsächlich, es war das Zimmer; plötzlich, eines Tages war mir die faszinierende Flucht der Türen aufgefallen - Flur, Küche, Bad, Atelier -, die sich da ballten und meinen Blick reizten mit grotesken Flächen, Licht und Schatten, drohendem Öffnen und Schließen. Von da aus war es ein leichter Sprung hinüber in den Traum von zahllosen Türen." Die Tür wird zur Metapher für das Betreten einer anderen Welt, für die Verwandlung. Auch die Zweige, die das Kostüm des Selbstporträts umgeben, unterliegen einer solchen Metamorphose: Arme, Beine, ganze Körper tauchen hier im Gestrüpp des Wurzelwerkes auf.

In der ersten grafischen Suite, die 1950 entsteht, wird dieser traumwandlerische Schritt ins Unbekannte fortgesetzt. Hier, in 'Les 7 péril spectraux', ist die Tür gleichzeitig Einband eines Buches. Eine weibliche Gestalt mit Schwanenkopf betritt die Seiten, eine Kerze erleuchtet das Dunkel der Fremde. In den folgenden Jahrzehnten illustriert Dorothea Tanning Texte und Gedichte von André Pieyre de Mandiargues, René Crevel, Alain Bosquet, Ghérasim Luca, Léna Leclercq, Jean Cassou, Eddy Batache, Stephen Yenser, James Merrill und Dorothea Tanning. Heute zählen Schriftsteller und Poeten zu ihrem engsten Freundeskreis.

Das Werk von Dorothea Tanning mit seiner halluzinatorischen Klarheit ist "zwischen dem inneren Auge und der anderen Seite der Tür" angesiedelt - so die Künstlerin selbst. Ihre letzte Einzelpräsentation in Deutschland lag damals über 35 Jahre zurück. Die Geburtstags-Ausstellung 'Dorothea Tanning "Birthday" - Grafiken und Bücher' war eine Möglichkeit, die Tür zu ihrem Oeuvre zu öffnen, die Poesie ihrer Bilder neu zu entdecken.

Dr. Jürgen Pech

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Dorothea Tanning
Geburtstagsausstellung im Jahr 2000