press release

Vernissage: Samstag 30. Mai 18:00 Uhr
Zur Eröffnung spricht Roman Grabner, Universalmuseum Joanneum Graz
Ausstellung bis 12. Juli 2015

Hubert Schmalix – In Deep Trouble

Hubert Schmalix ist einer der profiliertesten österreichischen Maler der Gegenwart. So umfangreich sein bisheriges Oeuvre auch sein mag, so schmal ist die Palette seiner Themen: Akte, Stillleben, Interieurs, Landschaften und Städtebilder, von dem Intermezzo der Christusbilder Anfang der 1990er-Jahre einmal abgesehen. Der weibliche Akt stellt dabei zweifellos das Hauptthema in seinem Schaffen dar. Begonnen Anfang der 1980er-Jahre, wird die Serie der weiblichen Akte zu einem Angelpunkt in seinem Oeuvre, um den herum er sein künstlerisches Konzept formuliert und weiterentwickelt. Bei der Dargestellten handelt es sich im Wesentlichen fast immer um seine philippinische Frau Fresnaida, doch ist deren Bildnis nicht als intimes Porträt eines Künstlers von seiner Frau zu verstehen, sondern als modellhafte Repräsentation, als generalisierte Figur, als formales Zeichen, um einen Aspekt der spezifischen Figur-Grund-Relation in Schmalix’ Werk vorwegzunehmen. In einem Interview meinte er vor einigen Jahren, dass es ihm beim Malen wichtiger sei, „dass die Farbe stimmt, dass die Linie fließt, als die Ähnlichkeit mit ihr“.

Der Akt hat natürlich als Motiv eine lange kunsthistorische Tradition und es wurde naturgemäß viel geschrieben über die Frage der Erotik, der Intimität des Blicks und der Darstellungsmodalitäten des nackten weiblichen Körpers. Die Deutungen dieses Topos im Werk von Schmalix sind ebenso weit gefächert und sprechen von der „Eigenart und Schönheit des Frauenleibs“, heben „seine Zartheit, Schamhaftigkeit und die Gebärden der Keuschheit“ hervor, betonen aber auch, dass sie als „hart und pornografisch“ gelesen werden können, im Wesentlichen allerdings eher„neutral“ wirken mit einer „fast leidenschaftslosen Entspanntheit“ und als „Symbole männlicher Macht und Leidenschaft“ gelten. Die Aktdarstellungen von Schmalix verkörpern all diese Zuschreibungen und sind doch viel mehr. In einer Zeit der Inflation der Laszivität, der Ausbeutung des weiblichen Körpers als Sexualobjekt in Werbung und Gesellschaft, der freien und unbegrenzten Verfügbarkeit pornografischer Bilder im Internet, erscheinen die Darstellungen des Künstlers wie Bekenntnisse zu einer verloren geglaubten Poesie des nackten Körpers. Doch geht es Schmalix nie (nur) um die Darstellung eines Menschen, sondern vor allem um die Darstellung eines Bildes des Menschen und damit um die Darstellung von Malerei an sich. Der Akt ist ihm formaler Anlass, eine Auseinandersetzung mit den Parametern der Malerei zu führen, sozusagen mit malerischen Mitteln einen Diskurs über Malerei zu betreiben. „Mich hat immer Tiefe und Fläche interessiert und auch die Irritation, die durch Tiefe und Fläche bewirkt wird, also wo Tiefes flächenhaft gemalt wird oder Flächenhaftes als Tiefe.“ Die Leinwand wird zur Experimentierfläche um die Verhältnisse von Raum, Form und Farbe auszuloten.

Die frühen Aktdarstellungen waren malerische Signets, die in monochrome Bildflächen gesetzt wurden und durch ungewöhnliche An- und Aufsichten und extreme perspektivische Verkürzungen und Verzerrungen irritierten. Der Hintergrund wurde auf ein Farbfeld reduziert, und der Körper schien weniger in einem Bildraum zu existieren, als in seinem formalen und farbigen Verhältnis zur Bildfläche thematisiert zu werden. Die Akte wurden in Folge durch diverse Objekte, farbliche Kompartimente, landschaftliche Versatzstücke oder ungewöhnliche Lichtsituationen in immer neue Relationen zu dieser Bildfläche gebracht. Die neuesten Arbeiten des Künstlers setzen die weiblichen Körper nun vor bzw. in die ornamentale Struktur von Teppichen. Damit verhandelt er einen oft ausgeklammerten Aspekt der Entwicklungsgeschichte der modernen Malerei, nämlich die Entwicklung des Bildraums zur Fläche durch den Einfluss textiler Erzeugnisse. Der amerikanische Kunsthistoriker Joseph Masheck hat diese Entwicklungslinie nachgezeichnet und vom „Teppich-Paradigma“ („carpet pardigm“) gesprochen, da er in dessen Muster und Struktur die Vorlage und den Ausgangspunkt für die abstrakte Tendenzen der Moderne bis hinein in die 1960er-Jahre erkannte. Es ist dieses abstrakt-ornamentale All-over, das auch die Städtebilder von Schmalix prägt, und als Denkfigur einen Bogen spannt von den allerersten textilen Erzeugnissen des Menschen bis hin zu den Gewebe- und Netzwerkanalogien der neuesten technologischen Errungenschaften.

Roman Grabner, 2015