press release

Mit HATE RADIO, der jüngsten Produktion des International Institute of Political Murder (IIPM), ist erstmalig ein Theaterprojekt zu einer umfangreichen Präsentation in die KUB-Arena geladen. Noch vor der eigentlichen Uraufführung am Theater Hebbel am Ufer (Berlin) werden in Bregenz Voraufführungen des Stücks im originalen Bühnenbild stattfinden. Darüber hinaus wird über das präsentierte Recherchematerial und im Rahmen von Diskussionen, Vorträgen sowie Filmvorführungen die Arbeit des Instituts im Allgemeinen vorgestellt.

Gegründet wurde das IIPM im Jahr 2007 von Milo Rau mit dem Ziel, den Austausch zwischen Theater, bildender Kunst, Film und Forschung auf dem Gebiet des Reenactments – der Re-Inszenierung (verstörender) geschichtlicher Ereignisse – zu intensivieren und theoretisch zu reflektieren. Grundlage dieser »realistischen« Inszenierungen eigentlich uninszenierbarer historischer Momente bilden umfassende Recherchen in Archiven sowie Interviews mit Zeitzeugen. In theatralen, filmischen, literarischen und künstlerischen Installationen werden dem Zuschauer historisch relevante Ereignisse zugänglich gemacht und innerhalb aktueller Diskussions-zusammenhänge verortet. Das Reenactment Die letzten Tage der Ceausescus (2009/10) wurde unter anderem für das Berliner Theatertreffen nominiert sowie zum Festival d’Avignon eingeladen. Das aktuellste Projekt des IIPM, HATE RADIO, beschäftigt sich mit dem Völkermord in Ruanda von 1994, der von der populärsten Radiostation des Landes, dem Radio-Télévision Libre des Mille Collines (RTLM), mit perfidem psychologischem Geschick und manipulierenden Techniken vorbereitet und begleitet wurde. In den Monaten April, Mai und Juni 1994 wurden in dem zentralafrikanischen Staat schätzungsweise zwischen 800.000 und 1 Million Angehörige der Tutsi-Minderheit und Tausende gemäßigter Hutu ermordet. Hätte man ein einfaches und wirkungsvolles Ziel gesucht, um einen der grausamsten Genozide seit dem Ende des Kalten Krieges zu verhindern, schrieb der US-amerikanische Journalist Philip Gourevitch, wäre der Radiosender RTLM ein guter Ausgangspunkt gewesen. Mit unbeschreiblichem Zynismus hatten die Mitarbeiter des populären Senders den Völkermord über Monate wie eine Werbekampagne vorbereitet. Das Programm bestand aus Pop-Musik, packenden Sportreportagen, politischen Pamphleten und an Verachtung nicht zu überbietenden Mordaufrufen. Die Grooves der neuesten kongolesischen Bands und aggressivste Rassenkunde vereinten sich hier im Studio auf wenigen Quadratmetern zu einem düsteren Laboratorium rassistischer Ideologie. HATE RADIO lässt den hetzerischen Radiosender in originalgetreu nachgebauten Kulissen als realistische Installation wieder live auf Sendung gehen.

Im Mittelpunkt des Projekts stehen das Reenactment einer Sendung des RTLM und seiner Moderatoren – drei extreme Hutus und der weiße Italo- Belgier Georges Ruggiu. Wie Rassismus funktioniert, wie Menschen ihre Menschlichkeit im wahrsten Sinne »abgesprochen« wird – dies soll anhand einer aus Dokumenten und Zeugenaussagen rekonstruierten szenischen Installation erfahrbar gemacht werden. Die Wände des nachgebauten Radiostudios dienen während der Voraufführungen als Projektionsflächen für eine Videoinstallation, die ausgewählte Erzählungen ehemaliger Täter und Opfer zeigt. Die Zuschauer werden hier nicht nur mit den Konsequenzen rassistischer Denkweisen konfrontiert, sondern sie werden zugleich zu mitleidenden Zeugen seiner zerstörerischen und unauslöschlichen Folgen gemacht.

Ein umfangreicher Materialband sowie eine Reihe von Abendveranstaltungen erweitern HATE RADIO zu einer breiten, interdisziplinär geführten Intervention, bei der Fragen nach der Aktualität und den Erscheinungsformen von rassistischer Gewalt in Europa und Afrika und ihre Darstellbarkeit in der Kunst verhandelt werden.

Die KUB-Arena setzt mit diesem Projekt ihre intensive Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftsrelevanten Fragestellungen fort, wobei auch bei HATE RADIO die prozessuale Präsentations- und Vermittlungsform ihrem dezidierten Anliegen entspricht, neue und unkonventionelle Formate zu erproben.

Die Präsentation in der KUB-Arena entsteht in enger Zusammenarbeit mit dem Autor und Regisseur von HATE RADIO Milo Rau (Regisseur und künstlerischer Leiter des International Institute of Political Murder, Berlin / Zürich)

Buch & Regie: Milo Rau
Dramaturgie & Conceptual Management: Jens Dietrich
Bühnenbild & Ausstattung: Anton Lukas
Video, Schnitt & Ton: Marcel Bächtiger
Produktionsleitung: Milena Kipfmüller
Öffentlichkeitsarbeit: Yven Augustin
Regieassistenz: Mascha Eucher-Martinez
Ton- & Videoassistenz: Jens Baudisch
Beratung Tondesign: Peter Göhler
Corporate Design: Nina Wolters
Wissenschaftliche Mitarbeit: Eva-Maria Bertschy
Projektdokumentation: Lennart Laberenz (Film) & Daniel Seiffert (Fotografie)
Fachberatung: Marie-Soleil Frère, Assumpta Muginareza & Simone Schlindwein
Begleitprogramm Bregenz: Eva Birkenstock & Milo Rau
Casting Brüssel/Genf: Sebastiâo Tadzio
Casting Kigali: Didacienne Nibagwire

Performances: Dorcy Rugamba, Nancy Nkusi, Afazali Dewaele, Sébastien Foucault Videos: Estelle Marion, Isnelle da Silveira

HATE RADIO ist eine Koproduktion des IIPM Berlin/Zürich mit Migros Kulturprozent Schweiz, Kunsthaus Bregenz, Hebbel am Ufer (HAU) Berlin, Schlachthaus Theater Bern, Beursschouwburg Brüssel, migros museum Zürich, Kaserne Basel, Südpol Luzern, Verbrecher Verlag Berlin, Kigali Genocide Memorial Centre und Ishyo Arts Centre, Kigali.