press release

PackHof Museum Junge Kunst Frankfurt (Oder)

MATTI SCHULZ. Jeder macht was er kann

Der kürzlich nach Berlin gezogene Künstler besuchte die Dresdner Hochschule für Bildende Künste von 2006 bis 2012. Anschließend war er Meisterschüler bei Professor Carl Emanuel Wolff. Jetzt stellt er sich im PackHof mit Bildern und Objekten vor. Sie umkreisen die klassischen Bildmotive des Porträts (auch von Personen der Öffentlichkeit), der „Alltagsreportage“ und der Tierdarstellungen. Doch sie unterhöhlen zugleich die in uns wohnenden Klischees von ihnen. Denn damit sind nicht selten Vorstellungen vom Schönen, Hehren und Bedeutenden verbunden. Diese Gefühlserwartungen werden attackiert und provozierend verunglimpft. Sarkasmus, Bildwitz, krude Mimik und Gestik zerstören Erwartungshaltungen und signalisieren einen ungeschönten Realitätseinbruch. Dabei geht der Künstler fast analytisch vor, wenn er dadaistisch und zugleich professionell dilettantisch Porträts und Tiere vorführt, die sich nicht zivilisiert benehmen oder Reaktionen zeigen, die stellenweise an die rotzig provokative Bildwelt der westdeutschen Wilden aus den 80ern denken lassen. Die Pointe steckt nicht im erzählerischen Finale, eher in der Art und Weise wie er seine Striche zieht, Farben setzt und Körper formt. Dadurch steigern sich die Motive gegenseitig manchmal bis ins boshaft Asoziale hinein. Es wird die Frage nach der Ernsthaftigkeit und Bedeutungsschwere aufgeworfen, die in der Kunstgeschichte mit diesen Motiven verbunden ist. Diese Bedeutungsbehauptung mittels eines Bildes wird mit einer Gegendeutung enthront. Es ist die gesellschaftliche dunkle Seite des Ungehörigen, des Schrägen und des nicht Sittsamen. Daraus ergibt sich ein Kanon des Asozialen, in dem die Wertvorstellungen und Haltungen gespiegelt werden.

Schon seit dem frühen 20. Jahrhundert finden in der bildenden Kunst Entlarvungen der gesellschaftlichen Scheinmoral statt. Erinnert sei an Georg Grosz und Otto Dix. In der Kunst der Gegenwart gibt es visuelle Attacken gegen die gesellschaftlich kodierten Verhaltensnormen, wie zum Beispiel bei Jonathan Meese. Hier wird das Subversive in eine Form des ästhetischen oder politischen Provokanten gebracht. Die Postmoderne, die deutsche Pop Art (Sigmar Polke) und die „Neuen Wilden“ (u.a. Martin Kippenberger, Walter Dahn, Werner Büttner, Albert Oehlen) haben ebenfalls dieses Terrain betreten. Auch bei ihnen gibt es die Strategie des Bildes und des Gegenbildes. Es wird beim Betrachter das Wissen um das offizielle Bild vorausgesetzt, um es mit dem entlarvenden zu konfrontieren. Dieser Kontext muss vorhanden sein, ansonsten werden Gegenbilder in ihrer Subversivität nicht verstanden. Im Alltag funktioniert das gut. Im Internet kursieren Fotos mit bösen Sprüchen, an den Kiosken parodieren Bildpostkarten Gewolltes und Tatsächliches und Cartoons würden ohne diesen Gegensatz nicht existieren. In der Sprache kommt das Entlarvende im Witz und im Kabarett, in Büttenreden, Comedy Shows, Alltagsprüchen und in Hasstiraden im Internet zum Vorschein. Matti Schulz dagegen lässt Katzen kotzen, Möwen mit einer Flasche im Hintern schreien, Kriegsgeräte einen Schneemann besetzen und den Zirkus brennen.
Armin Hauer