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401contemporary freut sich, mit MEMENTO eine Gruppenausstellung mit Arbeiten von Sophie Ernst, Martin Roos, Sean Scully und Peter Weibel präsentieren zu können.

Der Begriff „memento“ in seiner Bedeutung als Souvenir oder Andenken vereint in sich unterschiedliche Aspekte, die sich im Themenkomplex um Erinnerung und Gedächtnis, Aufbewahrung von Wissen und Vergangenheit, Raum und Zeit verankern.

Als Souvenir kann auf der individuell-persönlichen Ebene eine Fotografie genauso wie ein bestimmtes Objekt in Frage kommen, um Erinnerungsprozesse anzustoßen. Spricht man jedoch von der Konstruktion kultureller Gedächtnisse, die bestimmte, kanonisierte Inhalte aufbewahren und vermitteln und somit ein bestimmtes „Wissen“ generieren, so fungieren beispielsweise Museen, Bibliotheken, Denkmäler und bestimmte Bauten auch als Andenken. Die Frage nach dem Verhältnis von individuellem und kulturellem Gedächtnis sowie nach der Auswahl von vermittelten und ausgeblendeten Inhalten bleibt dabei jedoch stets offen.

In ihren Videoinstallationen HOME und No Place like America verhandelt Sophie Ernst Aspekte individueller Erinnerung bzw. Zukunftsentwürfe und ihr Verhältnis zum kollektiven Gedächtnis, zur Architektur und zu bestimmten Standorten. Ausgangspunkt der HOME-Serie bilden Interview-Situationen, in denen Menschen unterschiedlicher Herkunft ihre Heimatorte beschreiben, die sie zu einem bestimmten Zeitpunkt unfreiwillig verlassen mussten. Unterstützt wird der verbalisierte Erinnerungsprozess durch die visuelle Form der Zeichnung. Gemeinsam mit dem Interviewer skizzieren die befragten Personen architektonische Entwürfe der erinnerten Orte, die sie im Fortlauf des Erinnerungsprozesses immer wieder korrigieren und erweitern. Der rekonstruierende Prozess wird filmisch dokumentiert und erfährt eine skulpturale Manifestierung in Form eines dreidimensionalen architektonischen Modells.

Demgegenüber präsentiert No Place Like America individuelle Zukunftsentwürfe und Wunschprojektionen in Bezug auf den Standort America. Projiziert auf gestapelte Umzugskartons dokumentieren die Videos Gespräche mit jungen Männern, die eine Immigration in die USA beabsichtigen und hier ihre Vorstellungen und Erwartungen in Bezug auf ein Leben dort formulieren.

Sean Scullys fotografische Arbeiten eröffnen, in ihrer ursprünglichen Funktion als Gedächtnisstützen und visuelle Notizen, einen weiteren Aspekt im Hinblick auf Memorisierung und Architektur. Erst Ende der 90er Jahre – nach zahlreichen Reisen und fotografischen Dokumentationen – betrachtete Sean Scully die eigenen Fotografien als gleichberechtigte Säulen seines Werkkomplexes. Besonders die unterschiedlichen formalen Strukturen von Häuserfassaden weisen eine starke Nähe zu seinem abstrakten malerischen Werk auf. Die in MEMENTO gezeigten Dokumentationen von Favelas in Sao Paulo entwickeln über ihre formale Ästhetik hinaus jedoch auch eine politische Dimension, in der die Frage nach bestimmten Repräsentationsmethoden, urbanen Strukturen und ausgeblendeten Inhalten innerhalb kultureller Gedächtnisse virulent wird.

Durch minimale Eingriffe und Verschiebungen vergegenwärtigt Martin Roos in seinen skulpturalen Arbeiten die Fragilität bestimmter konstruierter Kategorien, wie die der Raumvermessung oder geografischer Zuordnung. Ein Zollstock, dessen Maßangaben nicht mehr sichtbar sind und scheint seiner Funktion beraubt, verweist zugleich auf den sozial konstruierten Charakter wissenschaftlicher Methoden. Die Arbeit von dort, von dort suggeriert ein geografisch undefiniertes „Dazwischen“ und evoziert somit eine gewisse Unbefriedigung bei Zuordnungsversuchen.

Peter Weibels installative Serie Bewohnbare Bibliotheken erinnert in ihrer Ästhetik und räumlichen Präsenz vielmehr an ein Finanzzentrum, denn an traditionelle Bibliotheksbauten. Drei architektonisch minimal gehaltene Modelle für Hochhäuser ragen im Ausstellungsraum und suggerieren Formen der Macht, auch wenn das „Baumaterial“ eine gewisse Fragilität und Disfunktionalität aufweist. Die Interieurs sind mit Büchern beinahe bepflastert, doch fällt bei näherem Hinsehen auf, dass die Auswahl der Literatur stark limitiert und repetetiv ist. Mit dem Begriff der Bibliothek wird seit je her das Aufbewahren von Wissen verbunden; sie ist zentraler Bestandteil eines jeden kulturellen Gedächtnisses und trägt zur Konstituierung des Wissenskanons bei. Als solcher kann dieser Begriff metaphorisch für sämtliche Speicher von selektierten Inhalten betrachtet werden. Als Speicher von Informationen repräsentiert die Bibliothek eine bestimmte Auswahl und somit auch politische und soziale Machtverhältnisse. Schlägt man nun die Brücke zur Finanzwirtschaft, so stellt sich die Frage, auf welcher Wissensbasis hier Entscheidungen getroffen und Hierarchien aufgebaut werden. Wer bewohnt diese Hochhäuser und bildet den Kanon für weitere Handlungen? Welche Lektüre wird hierfür ausgewählt und gelesen? Eine kritische Beleuchtung der institutionell vermittelten „Wissensauswahl“ – sei es in der Finanzwelt, sei es in der globalen Bibliothek – liefert Peter Weibel mit Bezug auf die undurchschaubaren und instabilen Mechanismen der Weltwirtschaft.

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Memento

Künstler: Sophie Ernst, Martin Roos, Sean Scully, Peter Weibel