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Die Arbeit des spanischen Künstlers Rubén Grilo beginnt meist mit einer ausgiebigen Recherche. Nachforschungen zu historischen Ereignissen, Personen sowie technischen Verfahren und Materialien übersetzt er in Bilder, Projektionen und Installationen. Grilos Ausstellung „Mit eigener Hand“ ist unter anderem eine Schau über das Machen, also über die Herstellung (Techniken) und die Hersteller (Subjekte) von Dingen, sowie über Normierungen und Systeme. Wie materialisiert sich eine Idee? Welche Auswirkungen hat die Etablierung eines Standards? Wie manifestiert sich etwa Zeit? Ist Zeit die empfundene oder die gemessene Dauer? Wie verhalten sich Subjektivität und Normativität zueinander? Oder: Wo ist das Subjekt in einem System? In welchen Zusammenhängen stehen Subjekte und Objekte? Wie beziehen sie sich aufeinander und wie wirken sie aufeinander ein? Wie hängen Körper und Unternehmen/Korporationen zusammen?

„Mit eigener Hand“ ist Grilos erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland, alle Werke werden hier erstmals präsentiert. Die Ausstellung geht unter anderem aus von Wachssiegeln der Kaufmannsgilden sowie von der Hildesheimer Elle, einem eisernen Maß, das im 16. Jahrhundert am Rathaus angebracht wurde und verpflichtend für alle Händler war. Anders als die individuell verschieden lange menschliche Elle, auf die das Maß zurückgeht, ist die normierte Elle immer gleich, verifizierbar und wiederholbar. Solche Prozesse der Standardisierung, Normierung und Abstraktion bilden Hintergründe für Grilos Arbeiten, die ausgehend von der heutigen Informationsgesellschaft (dem „kognitiven Kapitalismus“) auf die Geschichte der Industrialisierung blicken.

Auch Arbeit spielt dabei immer wieder eine wichtige Rolle, insbesondere im Hinblick auf Einsatz, Wahrnehmung und Zurichtungen des Körpers. Für eine 2013 begonnene Werkgruppe kopiert er den „used look“ einer Jeans von Zara, deren Abnutzungsspuren designt und durch Laserbestrahlung erzeugt werden. Grilos Arbeiten zeigen auf großen Bahnen Jeans-Stoff Ausbleichungen, die an Abnutzungen durch Gelenkbeugung und Reibung erinnern oder durch riesige Handabdrücke groteske Körperbilder heraufbeschwören. Seine Beobachtung eines Modetrend-Details führt zur Geschichte des Materials, die zugleich eine Geschichte von veränderten Körper-Arbeit-Verhältnissen ist: Jeans-Stoff diente im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert als körperschützende, robuste Textilie, die von Minen- und Fabrikarbeitern getragen wurde. Die Abnutzung der Kleidungsstücke war klar rückführbar auf die Tätigkeiten ihrer Träger – Schreibtischarbeit, Gehen oder Radfahren hinterlassen jedoch kaum sichtbare Spuren und heutige Jeans enthalten meist Kunstfasern, um den Stoff elastisch und weich zu machen. Das Verhältnis von Jeans und Mensch hat sich verändert, gespiegelt darin sehen wir den anders arbeitenden Körper.

Kunstwerke erscheinen in Grilos Ausstellung als sinnlich erfahrbare Wissensspeicher, in denen sich Geschichten von Dingen, Arbeit und Körpern niederschlagen. Der Künstler navigiert durch weit verzweigte Gebiete, folgt Verlinkungen und fügt neue hinzu. Dabei steht der Umgang mit „analogen“ (kunst )handwerklichen oder künstlerischen Verfahren neben Materialexperimenten in Zusammenarbeit mit der Industrie – insgesamt befeuert und geprägt von allgegenwärtigen digitalen Bilder-, Informations- und Kommunikationsflüssen.

Rubén Grilo (*1981 in Lugo, Spanien) lebt in Berlin. Einzelausstellungen (Auswahl): CIRCA Projects, Newcastle upon Tyne (2013); Nogueras Blanchard, Madrid (2012); Wilfried Lentz, Rotterdam (2012) und MARCO, Vigo (2011). Gruppenausstellungen (Auswahl): Martin Van Zomeren, Amsterdam (2013); Nest, Den Haag (2013); CSS Bard, New York (2011). Von 2011 bis 2013 war er Stipendiat der Rijksakademie van Beeldende Kunsten (Amsterdam).

Förderer Die Ausstellung wird gefördert durch das Land Niedersachsen, ACCIÓN CULTURAL ESPAÑOLA AC/E und die Stadt Hildesheim. Das Vermittlungsprogramm des Kunstvereins Hildesheim wird gefördert durch das Land Niedersachsen und die VGH-Stiftung.