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Oliver Ottenschläger erforscht in seinen Fotografien Licht, Raum, Zeit, Erinnerung und Abwesenheit. Es sind Arbeiten, die einerseits innerhalb der aktuellen Konjunktur des Romantischen gesehen werden können, aber ebenso Fragen nach dem Bild und dem Sehen überhaupt stellen. Die Ausstellung zeigt zwei neue fotografische Serien, einmal die ab 2000 entstandenen Leavings, in denen der Künstler Bilder über die Spuren, die sie hinterlassen haben, erforscht und dokumentiert. Und zweitens die Serie Merging: Fotos die zwischen 2007 und 2009 im indischen und indonesischen Regenwald entstanden sind und die seine langjährige Auseinandersetzung mit der Landschaft fortsetzen. Seit 2000 widmet sich Ottenschläger mit unvergleichbarer Intensität diesem Motiv, wobei sein Zugang kein theoretischer, sondern ein malerischer und emotionaler ist.

Die Serie Leavings erforscht Abwesenheit anhand der Ruß- und Staubpartikel, die Bilder über lange Zeit hinweg ansaugen. Es sind Bilder, die eine nicht existierende Ebene sichtbar machen. Denn es gibt die Wand, es gibt das Bild, das dort hängt und es gibt das Bild, das entsteht wenn das Bild, das dort gehängt ist, abgenommen wird. Vergleichbar z.B. mit den Fotogrammen der Konstruktivisten, bei denen Objekte zwischen ein Fotopapier und eine Lichtquelle gebracht und dann belichtet wurden. Es sind Bilder, die dadurch entstehen, dass das Bild abwesend ist – Leavings eben oder Überbleibsel – und die sich durch eine minimale Klarheit auszeichnen.

Die Serie Merging zeigt zwölf neue großformatige Fotografien von Waldlandschaften, die zwischen 2007 und 2009 im indonesischen und indischen Regenwald entstanden sind. Wir stehen mitten im Dschungel, aber eigentlich hautnah davor. Dschungel als ungezähmte, wildwüchsige Natur erscheint in den Fotografien nur als exakt gewählter Ausschnitt eines umfassenden Geflechts. Die Natur selbst bleibt üppig entrückt, unberührbar und doch stellt sich eine eigenartige Nähe zu Wäldern aus allen Kontinenten ein. Unser Blick trifft auf ein Geflecht von Stämmen, Ranken, Wurzeln, in zahllosen Lichtwechseln zwischen Zweigen und bemoosten Steinen, ohne festgehalten zu werden. Die Momentaufnahmen des Dschungels erfüllen sich im Augenblick des Sehens. Sie verkörpern ein Phänomen des Sehens: Der Blick der sich in den Zweigen verliert, nur um wieder auf sich selbst zurückgeworfen zu werden. Die Bilder enthalten eine Unzahl miteinander verbundener Informationen, die es unmöglich machen einzelne Formen zu isolieren. Dieses Allover macht sie zu Membranen der Meditation. Ihr sinnliches Gegenüber besticht durch den Rhythmus wechselnder Bildräume. Die Aufnahmen suchen Konzentration in der offenen Textur. Sie verschließen sich in der Fläche und geben kaum eine perspektivische Tiefe frei. Ohne das Bild hierarchisch zu gliedern überziehen Pflanzen die Fläche allover wie die Lineaturen in der Malerei bei Jackson Pollock oder Brice Marden. Die Erfahrung der Natur wird so in die Sprache abstrakter Geometrie übertragen.

Die Fotografien locken den Betrachter in das magische Halbdunkel des Regenwalds, in das undurchdringliche oder auch lichte Grün von Bäumen, Buschwerk und Unterholz. Dabei bleibt das Dickicht durchlässig in der Tiefe. Es lässt einen durchwachsenen Raum erkennen, der zwar nicht einsehbar ist, sich aber unendlich fortsetzen könnte. In seiner 1957 erschienen Poetik des Raumes hat Gaston Bachelard von der Unermesslichkeit des Waldes gesprochen: In solchen Träumereien verwischen sich die Einzelheiten, das Malerische entfärbt sich, die Stunde schlägt nicht mehr, und der Raum dehnt sich ohne Grenzen aus. Die Bilder von Oliver Ottenschläger evozieren diesen unermesslichen Raum und öffnen auf subtile Weise ein Fenster in eine andere Welt der verlangsamten Zeit und der Verzögerung von Wahrnehmung. Das urtümliche und Wuchernde der in dieser Serie gezeigten Wälder, ihr dschungelartiger Eindruck unterläuft traditionelle Landschaftsformationen, zugleich entwerfen die Arbeiten neue Kompositionsmodelle zur Darstellung von Natur und neue Bildformen der Landschaft.

Oliver Ottenschläger geb. 1966 in Hautzenbichl Steiermark, lebt und arbeitet in Wien. Studium: Absolvent der Mkl. für Fotografie an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt Wien (1991). Danach Werbe- und Modefotografie. 2005 – 2008 Akademie der Bildenden Künste Wien (Erweiterter malerische Raum Franz Graf, Kunst und Fotografie Mathias Herrmann). Ausstellungen ab 2005.

Kuratorin Dr. Christine Kintisch

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BAWAG Contemporary – Young and Reckless 9
Oliver Ottenschläger
Kuratorin: Christine Kintisch