press release only in german

Erstmals würdigt das Museum für Kunst und Gewerbe mit einer umfangreichen Ausstellung das Lebenswerk der engagierten Hamburger Kunsthistorikerin und Sammlerin Rosa Schapire (1874 - 1954), die zu den frühesten Förderern der Brücke-Künstler zählt. Mit über 170 Gemälden, Grafiken, Künstlerpostkarten, Skulpturen, handgefertigten Schmuckstücken, Fotografien und persönlichen Briefen, vereint die Ausstellung die wichtigsten Kunstwerke und Objekte der hochkarätigen Sammlung Schapires, die heute verstreut in den Sammlungen zahlreicher internationaler Museen zu finden sind. Gezeigt werden bedeutende Werke von Karl Schmidt-Rottluff, mit dem sie eine enge Freundschaft verband, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Max Pechstein, Franz Radziwill, Walter Gramatté, Rolf Nesch und Willem Grimm, die zum großen Teil aus dem ehemaligen Besitz Schapires stammen. Auf den Spuren der jüdischen Kunstexpertin und Freundin der Expressionisten zeichnet die Ausstellung das Portrait einer mutigen Sammlerin in einer für sie gefährlichen Zeit bis zu ihrer Emigration nach London im Jahre 1939 nach. Der Blick auf das Wirken Schapires eröffnet neue Perspektiven auf die Avantgarde und reflektiert stellvertretend die historisch bedeutende Rolle vieler Kunstsammler für die Kunstgeschichte. Neben Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen sind zahlreiche Werke aus der Tate Modern, dem Gemeentemuseum Den Haag, dem Brücke-Museum Berlin und anderen zu sehen.

„Eigenartig grün“ nannte Aby Warburg die eigensinnige und unerschrockene Kunsthistorikerin Rosa Schapire amüsiert. Aber die später so berühmten Künstler der Brücke wie Schmidt-Rottluff, Erich Heckel sowie die Hamburger Expressionisten verdankten ihrer unermüdlichen Lobbyarbeit frühe Aufmerksamkeit in Fachkreisen und in der Öffentlichkeit. Sie hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, für die Anerkennung der Avantgarde, insbesondere des Expressionismus, in Deutschland zu kämpfen. Schapire vermittelte Ausstellungen in namhaften Galerien, hielt Vorträge und publizierte zahlreiche Kritiken und Artikel. Zudem förderte sie Ankäufe expressionistischer Werke durch große Museen, und stiftete Werke über den von ihr 1916 mitgegründeten „Frauenbund zur Förderung deutscher bildenden Kunst“. Mit Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel und Willem Grimm verband sie eine enge Freundschaft, die wie viele andere von Schapires großem Engagement profitierten. Zum Dank schenkten sie ihr Gemälde und Grafiken und schickten ihr kunstvoll gestaltete Künstlerpostkarten. Schmidt-Rottluff porträtierte Schapire mehrfach, entwarf für sie Schmuck und persönliches Briefpapier und schuf für ihre Wohnung in der Osterbeckstraße 43 in Hamburg eine Reihe von Möbelstücken, die jedoch seit 1941 überwiegend als verschollen gelten. So entstand im Hamburg der 1920er und 1930er Jahre eine ausgesprochen persönliche und bemerkenswerte Sammlung.

Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft wurde Schapires Einsatz für die als „entartet“ geltende Kunst im Nationalsozialismus zusätzlich erschwert. Vorträge konnte sie nur noch unter Freunden in privaten Zirkeln halten. Zu einigen Sammlungen wurde ihr der Zutritt verwehrt. 1939 emigrierte sie nach London, wo sie sich noch als 65-Jährige als Fürsprecherin der deutschen Avantgarde sah. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, wie den meisten Werken Schmidt-Rottluffs, musste sie einen großen Teil ihrer umfassenden Sammlung in Hamburg zurücklassen. Im Exil setzte sie sich weiter für die deutschen Expressionisten ein und eröffnete in Leicester 1953 die erste Schmidt-Rottluff-Ausstellung auf englischem Boden.

Bis zu ihrem Tod 1954 kehrte Schapire nicht mehr nach Deutschland zurück. Ihre eigene Sammlung umfasste eine beachtliche Anzahl an Arbeiten deutscher Avantgardekunst, insbesondere über 500 expressionistische Grafiken. Aus Dankbarkeit gegenüber der neuen Heimat vermachte sie zahlreiche Werke englischen Museen wie der heutigen Tate Modern, dem Victoria & Albert Museum oder der New Walk Art Museums and Gallery in Leicester. Teile ihrer Sammlung befinden sich auch in einigen deutschen Kunsthallen, in Amsterdam und in Tel Aviv.

Die Ausstellung ist die erste Präsentation, die sich umfassend der Bedeutung Rosa Schapires für die Kunstgeschichte widmet. Zum ersten Mal seit ihrer Emigration werden die wichtigsten Werke aus ihrer verstreuten Sammlung wieder zusammengeführt. Damit wird eine Kunsthistorikerin (nicht Künstlerin) geehrt, die persönlich und materiell unter der Politik der Nationalsozialisten erheblich hat leiden müssen. Mit diesem Ansatz verbindet sich ein Perspektivwechsel in der Betrachtung der Avantgarde.

In Inhalt und Organisation der Ausstellung widmen sich deutsche und englische Wissenschaftler gemeinsam und grenzübergreifend den künstlerischen Belangen, für die Rosa Schapire eingetreten ist. Schapire leistete im wissenschaftlichen Bereich Pionierarbeit und hat die Entwicklung des Expressionismus in Deutschland entscheidend vorangebracht. Auch für die frühe Rezeption der Expressionisten in England ist sie von zentraler Bedeutung. Sie leistete somit einen großen Beitrag zur Verständigung von Deutschen und Engländern, die den Nationalsozialismus und die Kriegsfeindschaft zwischen beiden Staaten überdauerte. Die Ausstellung ermöglicht es, zwei unterschiedliche Rezeptionsgeschichten zum Expressionismus und zur Exilerfahrung auf ihre nationale Prägung zu untersuchen und somit historisch gewachsene Grenzen des Denkens zu hinterfragen. Bereits in der Vorbereitungsphase der Ausstellung lassen neue und noch unveröffentlichte Ergebnisse den Gewinn der Forschung über Schapire und die deutsche Exilkultur erkennen.

only in german

Rosa. Eigenartig grün. Rosa Schapire und die Expressionisten
Kuratorin: Leonie Beiersdorf

Künstler: Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Max Pechstein, Otto Mueller, Werner Gothein, Walter Gramatté, Willem Grimm, Kurt Löwengard, Rolf Nesch, Franz Radziwill, Otto Fischer-Trachau

Stationen:
06.12.09 - 21.02.10 Kunstsammlungen Chemnitz
28.08.09 - 15.11.09 Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg