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Kunst und Mode finden bekanntlich immer dort zueinander, wo neue, bisher ungewohnte visuelle Entdeckungen gemacht, Materialien ausprobiert oder gängige Schönheitsideale hinterfragt werden. Mode reflektiert auf sinnliche, aber auch konzeptuelle Weise unsere moderne Kultur. Seit den 1980er Jahren erforschen Designer die Grenzen der Kleidung und ihrer Bedeutungen. Das Ineinanderspie- geln von Haut und Kleid, von Körper und Gewand zieht sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung und zeigt sich in den Lederhäuten von Dai Rees, in Haarskulpturen von Charlie le Mindu, Pelzperü- cken von BLESS, in dem plüschigen Stoffkopf von Louise Bourgeois und einem Kinderschuh aus Wachs von Robert Gober.

Eine Reihe von Künstlern und Designern befasst sich mit der Neukonfiguration der Körperkonturen durch provozierende, wie „Skulpturen” gestaltete Kleider: Rei Kawakubo (Comme des Garçons) ent- warf 1997 Kleider in einer der Grundform des menschlichen Körpers zuwiderlaufenden Verteilung konkaver und konvexer Elemente. Der belgische Modeschöpfer Martin Margiela entwickelte Gewän- der, die die verschiedenen ”Werkphasen” vom Entwurf über den Stoff bis zum endgültigen Kleidungs- stück offen zur Schau tragen. Nach der Jahrtausendwende präsentierten Viktor & Rolf oder Hussein Chalayan ihre Modeschauen wie Kunstinstallationen.

Das Herz der Ausstellung bilden die für die Sammlung des Museum Boijmans Van Beuningen in Rot- terdam geschaffenen Auftragswerke von Christophe Coppens, Naomi Filmer, Viktor & Rolf, Walter Van Beirendonck, Anna-Nicole Ziesche und Hussein Chalayan. Im Jahr 2009 von José Teunissen und Han Nefkens für das Museum Boijmans van Beuningen in Rot- terdam kuratiert, wurde Art & Fashion. Zwischen Haut und Kleid von José Teunissen und Annelie Lütgens für das Kunstmuseum Wolfsburg neu zusammengestellt und inszeniert. Modedesigner bedienen sich der extremen Überspitzung und fulminanten Übertreibung, um traditio- nelle Kleiderthemen, ja sogar das ganze System Mode neu zu interpretieren und unsere Vorstellung von Mode immer wieder zu verändern. Das niederländische Designerpaar Viktor & Rolf interpretierten in ihrer Herbst/Winterkollektion 2007/08 das Phänomen „Fashion Show“, also die Präsentation der Kleider auf dem Laufsteg. Die Kleidung eines jeden Models bildete eine autarke Modenschau, indem die Designer es mit einem eigenen Licht- und Soundsystem ausstatteten. In ihrer Sommerkollektion 2010, die sie „Kettensägenmassaker“ (Chain Saw Massacre) nannten, führten sie Tüllkleider vor, deren ausladendes Volumen mit der Säge bearbeitet zu sein schien. Diese Auffassung von „Schnitt“ ergab aufsehenerregende Silhouetten, kühn und komisch zugleich.

Der belgische Modemacher Walter Van Beirendonck, dessen Entwürfe stets mit den Attributen farbig, spielerisch, humorvoll, witzig, schräg versehen werden, bearbeitet in seinen Kollektionen gleichwohl ernsthafte politische, kulturelle Themen: Fetischisierung und Sexualisierung des Körpers, Identität und Geschlechterrollen, Umwelt und Energie und nicht zuletzt die eigene Rolle als Stardesigner im System Mode, indem er sich selbst mit „2357 The Sequel“ ein buntes Grabmal nebst Sarkophag entwarf. Keinen Sarkophag, sondern einen ganzen Dufttempel kreierten Viktor & Rolf für den Prototyp eines neuen Parfums: „Alternative No.1“ bietet dem Ausstellungsbesucher ein Dufterlebnis der besonderen Art.

Das Kunstmuseum Wolfsburg hat sich in der Vergangenheit mehrfach in spektakulären Ausstellungen dem Verhältnis von Kunst und Mode gewidmet, etwa 1999 mit Avantgarderobe. Kunst und Mode von 1900 bis heute oder Hussein Chalayan im Jahr 2005/06. Die Ausstellung Zwischen Haut und Kleid knüpft an, wo das facettenreiche Kaleidoskop von Avantgarderobe endete, in den 1990er Jahren. Und sie nimmt zugleich den Anspruch des avanciertesten Grenzgängers zwischen Mode- und Kunstwelt des frühen 21. Jahrhunderts, von Hussein Chalayan auf, indem sie seine Form- und Körpervorstellungen denen anderer Grenzgänger wie Christophe Coppens oder Naomi Filmer zur Seite stellt. Zugleich integriert sie Stars der zeitgenössischen Modewelt, wie Viktor & Rolf, Martin Margiela oder Walter Van Beirendonck. Ähnlich wie Avantgarderobe unternimmt sie jedoch auch Ausflüge in die Geschichte, etwa indem sie Objekte von Salvador Dalì oder Elsa Schiaparelli einbezieht.